Neues Stück im Taltontheater Wie würde man selbst reagieren?
Wuppertal · Düstere Bühne, düstere Musik, düstere Stimmung und doch gute Unterhaltung: „Blinde Rache“ im Taltontheater (TTT) bietet Gegensätze. Außerdem bittet das Theater um Sanierungsspenden.
Michael McKeevers Krimi ist nicht lustig. Darauf weist Regisseur Jens Kalkhorst extra hin. Dennoch unterhält das Bühnenstück über 100 Minuten – sogar mit einigen komischen Sequenzen. Die Inszenierung bietet eine Mischung aus Tanztheater à la Pina Bausch (dickes Lob für die Tänzerin Stina Schnickmann), Psychothriller und Familientragödie.
Es geht um Rache und Gerechtigkeit und wie Menschen das unterschiedlich bewerten. Ty Bosworth (Niklas Selz) will den Mord an seiner neunjährigen Tochter rächen. Da ihr Mörder bei der Festnahme erschossen wurde, muss sein Anwalt (Maurice Kaeber) dran glauben. Der hatte ihn nach einem anderen Mord so erfolgreich verteidigt, dass er auf freien Fuß kam und wieder ein kleines Mädchen umbringen konnte. Ty entführt den Anwalt in eine abgelegene Hütte und quält ihn dort – „Misery“ von Stephen King lässt grüßen. Sein Bruder (als naiver Folterknechthelfer: Denny Pflanz) soll ihm helfen, hat aber moralische Bedenken.
Die subtil komischen Momente im Stück sind die Auftritte der Stiefmutter der Männer. Willa (Nicole Sieper) platzt immer wieder herein und stört massiv durch ihre bloße Präsenz. Nervige Verwandte kennt wohl jeder. Am Schluss ist Willa aber die einzige Lebende, die noch eine weiße Weste hat – im doppelten Sinn. Denn alle Kostüme (weiße Hose, helles Oberteil) zeigen anhand von roten Blutspuren, wie viel Schuld die Figuren auf sich geladen haben. Selbst die Mutter des toten Kindes, Tys Exfrau (Daniela Stibane), trägt später rote Abdrücke.
Ein Alleinstellungsmerkmal dieser Inszenierung sind die Szenen mit der ermordeten Alexandra. Sie erscheint ihrem Vater und spricht mit ihm, wobei die Bühne in grünes Licht getaucht wird. Stina Schnickmann tanzt das Leid und die Qual des Mädchens zur Musik der Oper „Peter Grimes“ von Benjamin Britten. Man muss kein Tanztheater-Kenner sein, um ihren Schmerz erkennen zu können. Ihr blutverschmiertes Hemdchen ist erst am Ende weiß, wenn Ty eine Entscheidung zu seiner Zukunft trifft und Alexandra verschwindet.
Bis dahin erlebt das Publikum mit, wie Gedanken zu (Un-) Recht, Gerechtigkeit und Rache, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit die Handlung bestimmen. Wie würde man selbst reagieren, wäre man Ty oder einer seiner unfreiwilligen Zeugen? Spannende Fragen.
Die nächsten Aufführungstermine sind am 6. und 13. Mai, um 20 Uhr sowie 7. und 14. Mai um 18 Uhr.
Außerdem: Das Taltontheater an der Wiesenstraße 118 wird saniert. Die Stadt hat das ehemalige Goldzack-Gebäude, in dem sich auch eine Boulder-Halle befindet, an die Montag-Stiftung verkauft. 180.000 Euro muss das TTT selbst zur Sanierung seiner Räume beisteuern. Dafür sammelt das Theater, in dem sich fast alle Aktiven ehrenamtlich engagieren, jetzt schon Spenden. Zum Ablauf der Arbeiten ist auf der Homepage taltontheater.de zu lesen: „Der Umbau soll in zwei Abschnitten und weitgehendst außerhalb unserer Spielzeit umgesetzt werden. Das TTT wird 2023 daher eine verlängerte Sommerpause (01.06. bis 06.10.) einlegen und die kommende Spielzeit in den Monaten Oktober bis Mai durchführen. Der zweite Bauabschnitt soll im Juni 2024 beginnen und wir hoffen, es wird möglich sein das ‚neue’ TalTonTHEATER ab November 2024 – pünktlich zum 20. Geburtstag des TTTs – zu eröffnen.“