Schauspiel Ritter zwischen Realität und seinem Traum

Wuppertal · Mit Cervantes' "Don Quijote" inszeniert Robert Sturm zum zweiten Mal ein Stück in den Riedel-Hallen, bei dem Sprache, Musik und Bewegung gleichberechtigt nebeneinander stehen.

Auch Helden werden müde und legen die Rüstung ab, so wie hier Marco Wohlwend als Don Quijote und Jonas Eckert als Meister Nicolas sowie das Schönberg Ensemble der Musikhochschule bei den Proben.

Foto: Ralf Silberkuhl

"Halt, das ist die Pest!", schallt es mir entgegen als ich die Riedel-Halle betrete und eine Lanze richtet sich auf mich. So kann einen nur "Don Quijote" begrüßen und Marco Wohlwend, der den Ritter spielt, hat die Lacher auf seiner Seite. Eine tolle Probenatmosphäre, schießt es mir durch den Kopf und dieser Eindruck wird sogleich von Schauspielerin Ingeborg Wolff, die im Stück Haushälterin Refugia darstellt, bestätigt.

"Wir sind ein wunderbar homogenes Team, Marco ist ein Gewinn für die Produktion, ein Arbeitstier, der sich mit Elan in den Text gekniet hat, der wirklich nicht leicht zu lernen ist. Außerdem übt Robert als Regisseur keinen Druck aus, sondern lässt uns Raum Dinge zu probieren, nach Lösungen zu suchen, das ist für mich das Spannende an der Arbeit mit ihm." "Nein, Druck mache ich wirklich nicht, aber ich weiß, wo ich hinwill und kann dann auch sehr hartnäckig sein. Bei einer Inszenierung am ungarischen Staatstheater in Budapest hat mir das den Namen 'Der lächelnde Diktator' eingebracht", grinst Sturm, um sich sofort wieder der laufenden Probe zu widmen.

Auf dem Plan steht die Szene, in der Dorfpfarrer Pero Pérez (Jörg Reimers) "Don Quijote" zum Ritter schlägt. Für Wohlwend ein anstrengender Prozess, denn eine Wiederholung folgt der nächsten. Rauf auf Ross, wieder runter, Kniefall vor dem Pfarrer und wieder rauf aufs Pferd. Und diese Rosinante hat es in sich, keine flauschige Mähne zum Festhalten, kein weicher Pferdebauch, der Halt verspricht und auch die Steigbügel sind keine wirkliche Aufstiegshilfe, da hilft nur ein gekonnter Klimmzug. Und da Rosinante unter ihren Hufen Rollen trägt, die ab und an mit den Bodenfugen kollidieren, kann des Ritters Ross auch schon mal zickig bocken.

"Mit Marco macht die Arbeit viel Spaß, er bietet als Schauspieler körperlich und von der Bewegung her unheimlich viel an", ist auch Choreograph und Tänzer Jean-Laurent Sasportes, der für die Bewegung zuständig ist und als Caballerizo in einer stummen Rolle zu sehen sein wird, vom Hauptdarsteller begeistert.

Derweil riskiere ich einen Blick aufs Bühnenbild. An einer Wand hat Uwe Fischer-Rosier seine Gongs aufgehängt, ein Stahlgestell ist Bett und Burg zugleich, eine rostige Wanne dient als Dorfkneipe und zur Waffenwacht, keine üppige Ausstattung, dennoch entsteht sofort das Bild der kargen, trockenen spanischen Landschaft, durch die der Ritter reitet. "Vieles haben wir auf dem Schrott gefunden und hierher bringen lassen", verrät Ingeborg Wolff.

Unterbrechung, Sturm gefällt die musikalische Kommentierung der Szene nicht. Er bittet das Team zum Gespräch, verschiedene Möglichkeiten werden angesprochen und ausprobiert, dann geht es weiter. Jetzt ist der Ritter auf dem Weg zu seiner ersten guten Tat. Nicolas (Jonas Eckert) peitscht seinen Knecht Adrés (Bernhard Glose) aus, Don Quijote will dies verhindern, was scheinbar gelingt. Stolz, seine erste gute Tat vollbracht zu haben, sich bereits in der Bewunderung von seiner angebetenen Dulcinea sonnend, reitet er weiter. Die Bestrafung des Knechts geht weiter, doch Don Quijote ist längst wieder in seine Traumwelt abgetaucht, hat weder Augen noch Ohren für die Realität. Bewundernswert, wie Wohlwend dieses Verhalten durch Mimik und Körpersprache kenntlich macht.

Ein viel versprechender Probenbesuch, der Neugier und Lust auf eine spannende Auseinandersetzung mit dem nur scheinbar so bekannten Stoff von Cervantes macht.