„Kultur macht uns offen für das Fremde“

Wuppertal · Seit 2006 ist Gerhard Finckh Leiter des Von der Heydt-Museums. Seine Schauen wurden mehrfach von Kritikern zur "Ausstellung des Jahres" gekürt. Ein Gespräch über die Bedeutung von Kunst.

Auch nach seinem 65. Geburtstag bleibt Dr. Gerhard Finckh Leiter des Von der Heydt-Museums. Sein Vertrag wurde bis 2019 verlängert.

Foto: Björn Ueberholz

Da hängen sie also, die Degas' und Rodins. Sorgfältig aufgereiht im Büro von Gerhard Finckh und mit verschiedenen Farben markiert. "Ja", sagt der Direktor des Von der Heydt-Museums lächelnd, "das ist meine Ausstellungswand. Hier plane ich die nächsten Schauen. Oft bis zu zwei Jahre lang." Klar, dass es sich dabei um Papierausdrucke der Werke handelt. Die sortiert der Experte thematisch in elf Kapitel (nach den elf Ausstellungsräumen). "Am Anfang hängt die Wunsch-Ausstellung— mit allen Bildern, die ich gern zeigen möchte", erklärt Finckh. Wenn die Verhandlungen mit den Museen positiv sind, markiere ich die Bilder blau. Sonst muss ich mir etwas Neues überlegen."

Ein Konzept, das aufgeht. Mehrfach wurden die Präsentationen Finckhs zum Impressionismus und auch zur Avantgarde des 20. Jahrhunderts von Kritikern zur "Ausstellung des Jahres" gewählt. Eine schöne Anerkennung sei das, sagt der Kunsthistoriker, schließlich haben die Kritiker ja viele Schauen gesehen. Als Ausstellungsmacher sieht sich der 64-Jährige, der vor zehn Jahren nach Wuppertal kam. Die Kunst an Menschen vermitteln, das sei seine Leidenschaft. "Es genügt nicht, die Bilder an die Wand zu hängen. Man muss sie in einen Zusammenhang bringen, Sinn stiften, man braucht ein richtiges Konzept." Schließlich sollen die Besucher auch etwas lernen, sich nicht nur an den schönen Farben erfreuen.

Richtig gut sei eine Präsentation dann, wenn sie eine interessante These oder Frage voraus schicke. Im Fall von "Degas & Rodin — Giganten der Moderne" (Eröffnung am 25. Oktober) könne dies heißen: Wie gut kannten sich die beiden Künstler, wie ähnlich haben sie gearbeitet, wie sehr haben sie die Kunst verändert? "Wenn man durch eine Ausstellung einen bekannten Künstler noch einmal ganz neu entdecken kann, ist dies das größte Lob", so Finckh. Das goutieren nicht nur die Kritiker, sondern auch die Gäste. Kontinuierlich hat Gerhard Finckh die Besucherzahlen so gesteigert. Um die 100.000 pro Jahr sind es durchschnittlich. "Das ist für eine mittelgroße Stadt wie Wuppertal eine recht gute Leistung", konstatiert der Kunstliebhaber, der zuvor Ausstellungsleiter des Folkwang-Museums in Essen und Museumsleiter in Morsbroich war. Das Angebot, nach Wuppertal zu kommen, hat er damals sofort angenommen. "Ich kannte das Museum ja schon und war begeistert von der gewaltigen Sammlung. Damit zu arbeiten, ist Weltklasse", lobt der gebürtige Bayer. Mit 3.000 Gemälden, 30.000 Arbeiten auf Papier und 500 Skulpturen sei die Sammlung zwar auch quantitativ groß, vor allem aber qualitativ herausragend. "Welches Museum hat schon mehrere Werke von Picasso, Renoir, Monet, Ernst Ludwig Kirchner und Otto Dix?"
Und doch: Die permanente Sammlung hat der Museumsleiter erst einmal weggeräumt, als er seinen Posten antrat — "weil sie seit fünf Jahren unverändert hing". Sie allein könne nicht genug Publikum ins Haus ziehen, erklärt Finckh, der daher die großen, eigenen Wechselausstellungen konzipierte.

Natürlich plant Gerhard Finckh, der sich an den Wochenenden möglichst viele Ausstellungen in der Umgebung anschaut, längst die nächsten Schauen: "Im nächsten Frühjahr widmen wir uns Adolf Erbslöh, einer der zentralen Figuren im Umkreis des Blauen Reiters — und aufgewachsen in Barmen. Im Herbst 2017 geht es um Eduard Manet." Der 64-Jährige freut sich, dass die Kultur in Wuppertal derzeit allgemein einen Aufschwung erlebt. "Kultur ist das Element, mit dem sich die Wuppertaler immer wieder aus dem Sumpf ziehen", sagt er und hält ein leidenschaftliches Plädoyer: "Von der Kulturlosigkeit ist es nur ein winziger Schritt zur Barbarei. Kultur schafft eine Erweiterung der eigenen Wahrnehmung und Offenheit für das Fremde. Daher kann sie ein wichtiger Faktor im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit sein." Für Finckh ist das ewige Sparen an der Kultur daher eine "völlig falsche Politik": "Ich wünsche mir da mehr Kreativität von Seiten der Stadt, um die Kultur zu unterstützen."