"Peter Pan" im Theater am Engelsgarten Kampf mit harten Bandagen
Wuppertal · Im Theater am Engelsgarten gibt derzeit Peter Pan den Ton an, der Junge, dem es seit 100 Jahren nicht gelingt, erwachsen zu werden.
Die Wuppertaler Bühnen locken mit "Peter Pan" nach einer Fassung von Peter Raffalt in das Theater am Engelsgarten. Ein Familientheater ab sieben Jahren, aber der unbeschwerte Märchengenuss hat so seine Tücken. Denn wenn man sich als Eltern krampfhaft an Peter Pan erinnern möchte, da geht es ihnen wie den Kindern, die Nimmerland einst verlassen haben: Erinnerungen verblassen. Am Ende bleiben bestenfalls verzerrte, weichgezeichnete Bilder à la Disney.
Allerdings orientiert sich Regisseur Peter Raffalt dankenswerter Weise mehr am Original des schottischen Autors James Matthew Barrie und beschert der tüchtigen Helikopter-Mami mit Aussagen wie "Ich schneide ihm die Kehle durch!" oder "Mit diesem Haken reiße ich ihm die Eingeweide aus dem Leib!" Schnappatmung und so manchen Kindern heiße Ohren. Doch während die Über-Mami noch überlegt, mit welchen halbgaren Beschwichtigungen die heimische Nachtruhe gerettet werden könnte, bestaunen die Kinder bereits das Krokodil mit Stundenuhr, auf der Jagd nach frischem Piratenfleisch. Ganz klar, bei Peter Pan geht es ähnlich schroff wie in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm zu.
Peter Pan lebt mit seinen Kameraden auf der Insel Nimmerland, der Metapher für ewige Jugend und sorglose Kindheit, und genießt, umringt von blutrünstigen Piraten und getreuen Indianern, ein Leben, wie es sich nur Jungs erträumen können. Alles ist möglich, wenn man nur fest daran glaubt.
Auch Mädchen kommen auf ihre Kosten, ganz gewiss. Dazu gehören aber brutale Abenteuer, bei denen Elfen vergiftet werden, Piraten über Bord gehen und Captain Hook im Schlund des Krokodils ein grausiges Ende findet. Peter Pan und seine Freunde erleben die Abenteuer ohne jegliches Verständnis für echte Gefahren, aber auch ohne echtes Leid. Ein vermeintlich unverbindlicher Spaß für die ganze Familie in 90 Minuten. Zumindest wenn man vorher weiß, worauf man sich einlässt.
Aber am Ende kommt er dann doch, der warnende Zeigefinger. Und Freunde fader Pädagogikkonzepte jubilieren innerlich. Gedenkt der Jugend und genießt die Kindheit, denn die ist selbst in frühen Jahren praktisch schon vorbei! So mahnte auch James Matthew Barrie bereits im ersten Kapitel seines modernen Märchens: "Zwei ist der Anfang vom Ende." Glücklicherweise nehmen die jungen Theaterbesucher die Aussage unschuldig hin und stimmen unbekümmert in das Lachen der Erwachsenen ein. Wobei nur Letztere die Tragweite dieser Aussage erahnen können — zum Glück.