Junger „Wilder“ aus Wuppertal
Mit "Bin ich nun ein Wirtschaftswunderkind..." hat Jörg Aufenanger den zweiten Teil seiner Lebenserinnerungen auf dem Markt. "Augenblicke aus der Wunderzeit" ist das 174-Seiten-Buch, das für 10,50 Euro im Wuppertaler Nordpark-Verlag erschienen ist, untertitelt.
Es bietet in skizzenhaften Kurztexten einen Überblick all dessen, was auf Aufenangers Kindheit folgte, die er 2012 unter dem Titel "Bin ich nun ein Trümmerkind..." aufgeschieben hatte.
Jörg Aufenanger, der 1945 in Wuppertal zur Welt kam, hat in Berlin und Paris studiert, in Paris, Rom und Deutschland als Theaterregisseur gearbeitet — und lebt heute als Autor und Übersetzer in Berlin. Geschrieben hat Aufenanger ungewöhnliche Biographien über Schiller, Kleist und Grabbe sowie ein Buch über die Liebe zwischen Richard Wagner und Mathilde Wesendonck.
Schon in Sachen seiner eigenen Kinderzeit hat Aufenanger sehr offen erzählt: Nun, wenn es um die "Wunderzeit" der 50er und 60er Jahre geht, ändert sich daran nichts — im Gegenteil. Die Irrungen und Wirrungen eines Jugendlichen, der aus Wuppertal ins zuerst sehr ungeliebte Dortmund kommt, und sich mit dem riesigen Komplex Sexualität ebenso intensiv auseinandersetzt wie mit klassischer Musik und Fußball, kommen unverblümt zur Sprache. Der Muff der Nachkriegszeit ist deutlich zu riechen. Und die Anti-Bemühungen des "jungen Wilden", der lieber viel wilder gewesen wäre, als er es tatsächlich konnte, sind unmittelbar mitzuerleben.
Jörg Aufenanger erzählt von seiner Schüchternheit, vom Geige-Spielen, von amourösen Erfolgen und Niederlagen — und vom Kneipenjob in der Dortmunder Halbwelt. Damit verdiente er sich das Geld für einen blauen Fiat 850. Mit dem ging's ab nach Berlin. Und damit endet das Buch.
Leichtfüßig, aber oft auch zu redselig und sehr selbstfokussiert erzählt ist das alles. Und immer mal wieder wird's nachdenklich und selbstkritisch. Fazit: Jörg Aufenanger hatte viel Glück und fast immer ein gutes Händchen. Bei Frauen und in Sachen Kultur. Mal sehen, wann Teil 3 kommt. Berlin, Paris, Rom — da geht doch was...
Zum Schluss: Ärgerlich sind etliche Kommafehler, Buchstabendreher und Lässigkeiten des Lektorates. Ein Beispiel: Das Wort Straße wird — Reform hin oder her — mit ß geschrieben. Die in Aufenangers Text hartnäckig verwendete Schreibweise Strasse ist und bleibt falsch.