Neue Bücher aus Wuppertal Zwei Frauen über zwei Frauen

Wuppertal · Christiane Gibiec hat einen biografischen Roman über Annette von Droste-Hülshoff geschrieben, Marina Jenkner ein Buch, das sie selbst „ein modernes Märchen“ nennt.

"Unruhe" von Christiane Gibiec, ein biografischer Roman über Annette von Droste-Hülshoff, ist im Verlag Rote Katze erschienen und kostet 24 Euro.

Foto: Verlag Rote Katze

„Unruhe“, so heißt Christiane Gibiecs Buch, das in die (Lebens-)Zeit der Verfasserin der berühmten „Judenbuche“ zurückblendet. Und der Untertitel „Unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum“ zeigt dass es hier um das weitestgehend unbekannte Innenleben einer Frau geht, die ihr Selbstverständnis als Künstlerin und unabhängiges, freies Wesen gegen viele Widerstände von außen (aber auch innere Zweifel) behaupten musste. 1797 wurde sie als Mitglied eines sehr alten Münsterländer Adelsgeschlechtes geboren, 1848 starb sie auf der Meersburg am Bodensee.

Christiane Gibiec gelingt es mit inniger Anteilnahme und streckenweise überbordender Detailfülle, die Seele und die (Liebes-)Leiden dieser Frau sichtbar zu machen, die zu ihrer Zeit (spät) durchaus schon Erfolg hatte – heute aber auf jeden Fall zu den bedeutendsten deutschen Dichterinnen des 19. Jahrhunderts gezählt wird.

Tiefe Einblicke in das adelige Familienleben, die Verknöchertheit der (Männer-)Gesellschaft, die schwere Last des politischen und kirchlichen Traditionalismus gibt Christiane Gibiec. Und vor allem in die unter immer wieder schweren Schatten stehenden Liebesgeschichten der Droste, die stets unverheiratet blieb, zu dem Studenten Heinrich Straube und viel später zu dem 16 Jahre jüngeren Leon Schücking.

Von Seite zu Seite fühlt man sich dieser für ihre Zeit ungewöhnlichen Frau, die doch nie wirklich radikal „ausbrach“, verbundener. Zahlreiche Gedichte und Briefstellen finden sich im Text, ausführliche Schilderungen von Festlichkeiten, gesellschaftlichen Ränkespielen, ungeschminkte Darstellungen der Leiden der älter werdenden Hauptfigur – und ihrer von Jahr zu Jahr wachsenden Einsamkeit.

Christiane Gibiec hat mit viel Liebe über eine Frau geschrieben, die die Liebe so sehr suchte, sie aber nie wirklich fand.

Erschienen im Verlag Rote Katze für 24 Euro.

"Blaue Ufer" von Marina Jenkner ist bei ML Books erschienen und kostet als Taschenbuch 9,90 Euro.

Foto: ML Books

Um die Liebe geht es auch in Marina Jenkners neuestem Buch: „Blaue Ufer“ erzählt die Geschichte der jungen Undine, die im Zoo-Aquarium arbeitet, dem Wasser und den Fischen sehr verbunden ist – und sich angesichts einer kindlichen Missbrauchserfahrung tief in sich selbst zurückgezogen hat. Möglichst weit weg von der Welt. Tiefe Nähe empfindet sie zu Hans Christian Andersens Märchen „Die kleine Seejungfrau“ – und (natürlich) will es ihr nicht gelingen, diese Welt und und die wirkliche miteinander in Einklang zu bringen. Zumal eines Tages der Kunststudent Adrian in Udines Leben rauscht. Adrian möchte Undine unbedingt (näher) kennenlernen – und leise, inklusive einiger Rückschläge, entwickelt sich etwas, so dass auch Undine (endlich) Gefühle zulassen kann.

Marina Jenkner lässt die Verletztheit und Verletzlichkeit ihrer Hauptfigur intensiv und zugleich zurückhaltend sichtbar werden. Nie werden Krankheitsbildwörter etwa aus der Psychologie verwendet. Nein, was mit Undine früher passiert ist und jetzt weiterhin passiert, macht Marina Jenkner dadurch deutlich, dass sie Undines Seele sprechen lässt. Und auch Adrian, der sich – ohne irgendwelche Zusammenhänge zu ahnen – „ganz normal“ und oft einfach tumb verhält, wird liebevoll geschildert.

„Blaue Ufer“, das mit mehreren schattenhaften Zeichnungen von Marlies Blauth illustriert ist, liest sich, trotz des eigentlich hochkomplexen Psychologie-Themas, ganz leicht und voller Zärtlichkeit.

Erschienen bei ML Books für 9,90 Euro.