Premiere von "Eugen Onegin" im Wuppertaler Opernhaus Gute Sänger im falschen Stück
Wuppertal · Nicht als "Oper" wollte Peter Tschaikowskij seinen "Eugen Onegin" bezeichnen, sondern hat dem Werk die Bezeichnung "lyrische Szenen" verpasst. Aufbau und Musik grenzen sich bewusst von der traditionellen Operndramaturgie ab.
Statt einer klaren Handlung mit unabänderlicher Katastrophe gibt es eine lose Szenenfolge, in der sich das Drama nicht mit Knalleffekt (den gibt es in einer Nebenhandlung), sondern eher beiläufig vollzieht. Und die Musik will auch ganz anders sein als die der Platzhirsche Verdi und Wagner. Eben lyrisch. Bei der Auswahl der Sänger für diese Neuinszenierung, so scheint's, war das wohl nebensächlich.
Nicht dass schlecht gesungen würde, im Gegenteil. Nur passt in dieser Produktion kaum jemand stimmlich wirklich gut in seine Rolle. Mikolaj Zalansinski ist ein großformatiger, etwas poltriger Onegin, aber den smarten, eleganten Dandy, den bleibt er der Figur schuldig (und ist auch ein wenig zu alt). Mirjam Tola, die schon als Tosca zu erleben war, ist eine kraftvolle Diva mit tollem Piano — aber das naive Mädchen Tatjana, das sich so hoffnungslos in Onegin verliebt, das nimmt man ihr nicht ab, so schön die berühmte Briefszene auch gestaltet ist. Mikhail Agafonov verleiht Onegins biederem Freund Lenskij metallischen tenoralen Glanz, aber lässt es vor dem für ihn tödlichen Duell mit Onegin an Melancholie und Zwischentönen fehlen. Und alle drei singen oft ziemlich laut, wo Zwischentöne angesagt wären.
Das ergibt große Oper, wo Tschaikowskij eher das intimere Kammerspiel im Sinn hatte. Der klangschöne Chor (der seine stärksten Momente hat, wenn er die Lautstärke zurücknimmt, fügt sich mit entsprechendem Volumen ein.
Dabei dirigiert Toshiyuki Kamioka das vor allem in den Holzbläsern sehr schön spielende Sinfonieorchester mit großer Klangsensibilität, lässt es zwar hier und da auch ordentlich krachen, bevorzugt aber delikate schlanke Farben. Zu wenig gelingt es ihm, eine ausgewogene Balance zwischen Sängern und Orchester herzustellen, und untereinander mischen sich die Stimmen in den Ensemble-Szenen nicht gut.
Und die Inszenierung? Regisseur Ansgar Haag hat die Handlung vom frühen 19. in das beginnende 20. Jahrhundert verlegt, was Kostümbilder Ulli Kremer immer noch genug Gelegenheit gibt, so etwas wie "gute alte Zeit" heraufzubeschwören. Recht brav erzählt die Regie die Geschichte nach, findet ein paar hübsche Bilder und verliert sich bisweilen in der Freude am Dekor. Im dritten Akt stören ein paar Revolutionäre das Bild und deuten an, dass es für die adelige Gesellschaft bald ungemütlich wird.
Vor diesem Hintergrund liefern Onegin und Tatjana dann doch noch ein großes Opernfinale: Aus dem verträumten Mädchen ist eine Fürstin, aus dem Lebemann ein gescheiterter Zweifler geworden. Das liegt beiden stimmlich deutlich besser. Da dürfen sie, lyrisch hin oder her, so richtig aufdrehen. Viel Applaus.