Rossini-Oper trifft Oskar Schlemmer Der Barbier vom Bauhaus

Wuppertal · Musikalisch furios verabschiedet sich die Wuppertaler Oper mit Rossinis „Barbier von Sevilla“ in den Lockdown.

Der Wuppertaler „Barbier von Sevilla“ im Geiste von Oskar Schlemmers „triadischem Ballett": Simon Stricker in der Rolle des Figaro.

Foto: Björn Hickmann/ stage picture

Tolle Sänger, ein über weite Strecken ausgezeichnetes Orchester, eine Dirigentin mit klaren Vorstellungen: Was könnte die Wuppertaler Oper leisten, wenn sie denn spielen dürfte! Dabei ist dieser „Barbier von Sevilla“ auch nur eine Notlösung, schneller Ersatz für den ambitionierten, unter den aktuellen Umständen nicht realisierbaren Doppelabend aus dem Prolog aus Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ und Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“.

Stattdessen also Rossini. Mit dieser mitreißenden Premiere haarscharf vor der temporären Schließung aller Theater demonstriert die Wuppertaler Oper noch einmal, was uns gerade verloren geht. Das Orchester sitzt unter Einhaltung der erforderlichen Abstände auf der Bühne, statt einer Inszenierung gibt es eine konzertante Aufführung in Kostümen. Aber was für welchen! Regisseurin (wohl passender: Ideengeberin) Inga Levant und Ausstatterin Sarah Prinz, seit 2015 Kostümassistentin an den Wuppertaler Bühnen, orientieren sich an den Figurinen des legendären „Triadischen Balletts“ von Oskar Schlemmer, 1922 im künstlerischen Umfeld des Bauhaus’ entstanden.

Statt Tänzerinnen und Tänzer in hautenge Trikots zu kleiden, hatte Schlemmer ausladende geometrische Objekte entworfen, in denen die Akteure wie mechanische Puppen wirken. So auch in diesem Wuppertaler „Barbier“, den man sich daher weniger im spanischen Sevilla als am Weimar-Dessauer Bauhaus vorstellen muss: Graf Almaviva in gelb-orangen Dreiecksformen, seine angebetete Rosina in violett-gelben Rundungen, deren Vater Bartolo im blau-goldenen Kreis- und Zylinder-Outfit, Barbier Figaro als Harlekin mit Kreissichel und Quadrat. In geometrischen Objekten, aus Latten zusammengezimmerte Käfige, stehen oder sitzen sie an der Rampe. Mit der Opernhandlung hat das alles nichts zu tun, aber es gibt viel zu sehen.

Auf die Handlung kommt es an diesem Abend gar nicht an. Ohnehin ist die Musik auf 90 Minuten zusammengekürzt, mehr geht derzeit nicht (früher nannte man eine solche Zusammenstellung „großer Querschnitt“), und die einzelnen Nummern sind neu gemischt. So endet der Abend keineswegs mit dem Happy End und dem eigentlichen Schluss der Oper, sondern mit dem turbulenten Finale des ersten Akts, das alles offen lässt. Was ja zur aktuellen Stimmung passt.

Für den Grafen Almaviva wurde der südafrikanische Tenor Siyabonga Maqungo, Ensemblemitglied der Berliner Staatsoper, verpflichtet – ganz kann er die hohen Erwartungen nicht erfüllen, muss seine trompetenhaft durchdringende Stimme (für die eher lyrische Partie eher zu groß) zurücknehmen und sich wohl auch erst an die Akustik gewöhnen. Iris Marie Sojer singt eine sehr präsente Rosina, ein wenig muss sie noch in die Rolle hineinwachsen, damit die Stimme in den Randlagen Farbigkeit erhält. Sebastian Campione gestaltet einen einschüchternd strengen, gleichzeitig brillant komischen Doktor Bartolo. Als Gast gibt Nikolai Karnolsky mit profundem Bass den Musiklehrer Basilio.

Die Krone gebührt an diesem Abend Simon Stricker in der Titelpartie, stimmlich sehr präsent und beweglich. Die Streicher des Sinfonieorchesters wirken in der Ouvertüre noch ein wenig wacklig, dann aber läuft auch das Orchester zu großer Form auf.