Krise beim Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Ensemble-Mitglied: "Das ist eine einzige Inszenierung!"
Wuppertal · Während am Donnerstag verschiedene Medien bereits über die Kritik an Adolphe Binder und deren mögliche Kündigung berichteten, wurde das Ensemble in Paris eiskalt von dieser Nachricht überrascht. Niemand hatte zuvor mit den Tänzerinnen und Tänzern gesprochen.
Sie distanzieren sich nun gegenüber der Rundschau gegen die Art um Weise, wie über Binder berichtet wird.
"Wir Tänzer sind entsetzt, wussten von nichts und leiden. Das hat nichts mit uns Tänzern zu tun und es werden Dinge behauptet, die haltlos sind und scheinbar absichtlich Rufmord bedeuten. Mit uns Tänzern wurde nichts beredet und trotzdem wird in unserem Namen gesprochen. Im Gegenteil. Seit langer Zeit wurde ein Gespräch mit uns gemieden." Diese emotionalen Zeilen erreichten die Redaktion am späten Donnerstagabend. Verfasst von Michael Strecker, seit über 20 Jahren Mitglied des Ensembles.
Das nicht mehr ganz vollständige Ensemble — es ist das letzte Stück einer erfolgreichen Spielzeit — befindet sich derzeit für ein längeres Gastspiel in Paris und fühlt sich dort nun "komplett allein gelassen". Das Timing sei "grausam", so Strecker. Er spreche im Folgenden vor allem für sich persönlich.
Im Gespräch mit der Rundschau schildert er, dass man im Ensemble schon länger gespürt habe, dass es massive Probleme zwischen der Geschäftsführung und Adolphe Binder gegeben hat. Erst vor wenigen Wochen habe man daher ein Gespräch mit beiden eingefordert. Binder sei dazu sofort bereit gewesen, heißt es. Dirk Hesse, der Geschäftsführer des Tanztheaters, war zu diesem Zeitpunkt bereits krank geschrieben.
Der Prokurist Christoph Fries habe dem Gespräch erst zugestimmt, sei dann jedoch nicht erschienen. Er habe keine Erlaubnis dazu, hieß es. Statt dessen habe es ein Gesprächsangebot des Kulturdezernenten Matthias Nocke gegeben, berichtet Michael Strecker. "Klartext wurde da aber nicht gesprochen."
Größter Kritikpunkt: die fehlende Transparenz und Kommunikation. "Wenn es Probleme gab, warum hat man uns nicht davon erzählt und uns nach unseren Erfahrungen mit Frau Binder gefragt?", gibt er zu bedenken. "Warum hat man die Vorwürfe nicht in Ruhe untersucht, statt nun solche Anschuldigungen in der Öffentlichkeit breitzutreten und uns vor fast vollendete Tatsachen zu stellen?"
Auch die Mediation habe auf manche Tänzer irritierend gewirkt. Statt neutral auf die Sorgen und Gedanken aus dem Ensemble zu reagieren, habe die Mediatorin Dirk Hesse ausdrücklich in Schutz genommen. Im Fall des Vorwurfs, Frau Binder habe zum Gastspiel eine "unerlaubte Privatperson" auf Kosten von Tanztheater und Gastspielpartner eingeladen, erklärt Strecker: "Dabei handelte es sich um eine Mitarbeiterin, die viele Jahre das Tanztheater hinter der Bühne begleitet hat. Frau Binder hat sie daraufhin bei ihrem Abschied nach ihrer letzten Vorstellung in unserem Beisein — als Geschenk für ihren Ruhestand — eingeladen, sich ,Viktor' in London endlich einmal von vorne anzusehen. Wir fanden das eine sehr schöne Geste. Was jetzt daraus gemacht wird, ist so gemein und eine einzige Inszenierung!"
Zu den Vorwürfen, Adolphe Binder habe bei der Spielplangestaltung 2018/19 einerseits Stücke ausgewählt, die schon zu oft gespielt wurden und daher nicht attraktiv seien, und andere, für die es keine passenden Tänzer gebe, gibt es aus der Tänzerschaft eine ausdrücklich andere Meinung. "Manchmal gibt es einfach künstlerische Zwänge, Stücke nach kurzer Zeit wieder aufzunehmen. Den Spielplan hat Frau Binder zusammen mit unserem Repertoire-Team, Probenleitern und technischen Abteilungen erarbeitet."
Zu diesem Team gehören Nazareth Panadero, Helena Pikon, Julie Shanahan, Daphnis Kokkinos und Ruth Amarante. Sie haben bereits in den vergangenen beiden Spielzeiten mitgewirkt. "Sowas kann doch nicht von einer Verwaltung allein ermessen werden und sollte im gemeinsamen Gespräch gelöst werden."
Über die Motivation, Binder in dieser Form loswerden zu wollen, kann man auch unter den Tänzern nur spekulieren. "Sie wurde zu uns geholt, damit etwas Neues stattfindet. Vielleicht war es vielen dann doch zu neu."