Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Schwarze Löcher

Wuppertal · Neulich beobachtete ich, wie sich in der Bahnhofs-Mall am Döppersberg wildfremde Menschen in den Armen lagen und Freudentränen vergossen. Hinter ihnen erspähte ich den Grund dafür.

Blick in die Vorhalle des Hauptbahnhofs.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Grünen

Drei Reihen mit 24 schwarzen Sitzgelegenheiten, auf denen erschöpfte Menschen jetzt einfach Platz nehmen können, statt sich auf den Boden schmeißen zu müssen. Das war nämlich der ursprüngliche Plan für die Mall, weil die Aufstellung von Bänken zunächst angeblich baurechtlich komplett undenkbar war.

Das Gebäude ist zwar ungefähr so breit wie der Große Saal der Stadthalle und besteht überwiegend aus Ausgängen. Für die im Schnitt hier verkehrenden 20 Männekes braucht man aber trotzdem angeblich Fluchtwege in der Dimension eines amerikanischen Highways. Wahrscheinlich um für in Wuppertal nicht seltene Erdbeben, Vulkanausbrüche oder Tsunamis vorzusorgen. Die baurechtlichen Vorschriften haben sich aber offensichtlich irgendwie geändert, nachdem diverse Wuppertaler Politiker bei der Bahn „bitte, bitte“ machten und vorigen August die Zusage bekamen, dass doch Sitze installiert werden. Danach dauerte es nur noch acht Monate, bis man jetzt tatsächlich Platz nehmen kann, weil die Installation einer so komplexen und innovativen baulichen Anlage wie einer Bank mit vier Plätzen natürlich bedeutenden behördlichen Vorlauf erfordert.

Immerhin ist dieses Problem aber jetzt gelöst – im Gegensatz zu einem eigentlich noch wesentlich größeren: In Wuppertal gibt es weiterhin nur ganze zehn öffentliche Toiletten, nach deren Besuch man zudem überwiegend in psychologische Behandlung muss. Und in der Elberfelder City findet man überhaupt keine mehr. Das ist im Corona-Lockdown besonders tragisch, weil man jetzt nicht mal mehr zu P&C gehen und so tun kann, als wolle man was kaufen, obwohl man eigentlich nur auf die Kundentoilette möchte.

Die SPD hat soeben nochmal darauf hingewiesen, dass sie schon vor fünf Jahren forderte, diesen Missstand endlich abzuschaffen. Danach war sie zwar selbst noch lange genug an der Regierung, um das zu ändern, aber offensichtlich sind Politik und Verwaltung mit diesem Thema gleichermaßen überfordert. Wie ist es möglich, dass wir problemtische Flüssigkeiten mit Hilfe des Schadstoffmobils flächendeckend qualifiziert entsorgen können, simple Flüssigkeiten aus unserem eigenen Stoffwechsel aber einhalten müssen, bis die Blase platzt?

Vielleicht kann ja ein Start-up im neuen Circular Valley demnächst mal erforschen, wie Wuppertaler das, was sie in der Stadt in sich aufnehmen, anschließend dort auch wieder loswerden. Die beschäftigen sich in diesem Think Tank ja speziell mit dem Thema Kreislaufwirtschaft. Es kann natürlich auch sein, dass die digitale Modellkommune Wuppertal einfach abwartet, bis man im Internet Pipi machen kann. Da müssten wir dann aber vorher noch am teilweise nicht optimalen Netz in der Stadt arbeiten, sonst laufen die dünnen Leitungen schnell über.

Wuppertal hat Ampeln mit künstlicher Intelligenz, ein Innovationslabor im Rathaus und Raketenwissenschaftler, die an der Uni untersuchen, wie es am Rand eines Schwarzen Lochs aussieht. Dabei wäre ein schwarzes Loch mit Wasserspülung und abschließbarer Tür davor auf der Poststraße lebenspraktisch eigentlich wichtiger. Ich fürchte, in Wuppertal wird eher noch die Erforschung von Spuren und Spasmen seltener Kanalratten in Elberfeld und Umgebung finanziell gefördert, als dass wir da einen einzigen neuen Pisspott bekommen.

Dabei gibt es schon seit Jahren ein Konzept für neue Driethäuschen. Dessen Umsetzung gestaltet sich aber scheinbar ähnlich schwierig wie die Realisierung der taktischen Konzepte von Jogi Löw durch die deutschen Fußball-Nationalspieler. Die gehen ja auch meistens in die Hose ...

Bis die Tage!