Aus dem Tagebuch der Redaktion Im himmelblauen Enzian
Wuppertal · Es gibt Termine, die rufen förmlich nach einer erfahrenen Redaktionskraft. Einer, die schon im Kaiserwagen gefahren ist, als die Schwebebahn nur Kaiserwagen hatte. Und den Blauen Enzian, jenen eleganten durchgehenden Gelenkzug, auf den mancher Fahrgast drei oder vier Wagen lang wartete, bis er endlich beseelt zustieg.
Diese Begeisterung können wir Journalisten allerdings nur ansatzweise beobachten, als der "hellblaue Enzian" zu seiner zweiten Tagesfahrt im Probebetrieb aufbricht. Sicher, einige Kinder winken fröhlich von der Bahnsteigkante, wenn sie den Prototypen erkennen, manche zücken im Wyatt-Earp-Tempo ihre Handys. Nicht wenige aber wollen einfach nur einsteigen und gucken völlig entgeistert, wenn die Bahn, ohne die Türen zu öffnen, weiterfährt.
"Wenn die Leute gar nicht merken, dass die neu ist, geben wir sie wieder zurück", scherzt WSW-Vorstand Ulrich Jaeger. In Wirklichkeit streitet man sich mit dem Hersteller um andere Punkte, wie den Schadenersatz für die eineinhalbjährige Verzögerung, zu kurz geratene Einstiege oder ein paar Verarbeitungsmängel.
Doch das sind Kleinigkeiten gegenüber dem völlig neuen Fahr(-gast)-Gefühl. Die neuen Wagen rumpeln und klappern kaum noch, man hört eher das Surren und Schwirren des Antriebs. Und der hat ein ganz ordentliches Beschleunigungsmoment, wie ein Kollege feststellt, als er beim Anfahren in die zum Glück gepolsterten Sitze fällt. Ansonsten hält der Sitzkomfort keine sonderlichen Unterschiede zum Vorgänger parat. Dafür können dank der höher gewordenen Seitenscheiben auch groß Gewachsene im Stehen die Aussicht genießen, ohne sich verbiegen zu müssen. Obendrein bekommen sie mehr Frischluft aus den Düsen unter der Decke.
Woran merkt man ansonsten, dass man in einer Neuen sitzt, wenn im Spätherbst die ersten sechs Waggons ihren Fahrdienst antreten? Auf jeden Fall an der klaren deutlichen Tonbandansage der einzelnen Haltestellen. Sie lösen die nuscheligen Mikrophon-Laute der Fahrer ab, an deren Ende man bisher immer ein erlösendes "Thank you for Schwebebahn" erwartete.