Kommentar zu gelebter Solidarität Eine beeindruckende Begegnung am Obststand

Wuppertal · Zugegeben, es gibt eine Menge lokale Themen, über die ich hier und heute schreiben könnte – aber nicht werde. Etwa die Frage, ob ein weiteres Dezernat in Wuppertal inhaltlich notwendig ist oder doch nur wegen des Parteiproporzes. Ob wegen der angespannten Finanzlage die BUGA-Verträge unterschrieben werden sollten oder nicht. Oder es richtig ist, dass das beheizte Winterschwimmen im Freibad Neuenhof wegen der Energiesparmaßnahmen diesmal ausfällt. Um nur drei zu nennen.

Symbolbild.

Foto: Pixabay

Stattdessen möchte ich von einer wahren Begebenheit berichten, die sich in dieser Woche an einem Obststand in Wuppertal zugetragen hat. Und die hat mich wirklich ziemlich stark beeindruckt – um nicht das Wort „nachhaltig“ zu nutzen, das inzwischen leider auch absolut dreist von internationalen Ölfirmen, die fast alle Küsten dieser Welt verschmutzt haben, missbraucht wird.

An dem Stand war eine Dame an der Reihe, die zwei Einkaufstaschen mitgebracht hatte. In die erste sortierte sie zunächst ihre offenbar obligatorischen wöchentlichen Wünsche ein, um dann zu sagen: „Und dann brauche ich diesmal noch … Möhren, Weißkohl, Lauch, Paprika, Äpfel, Pflaumen, Petersilie, Radieschen, Fenchel, Trauben, Sellerie und Porree.“ Woraufhin sie gefragt wurde, ob sie ein Fest gebe oder für den Herbst basteln wolle.

„Nein“, sagte die Frau lächelnd. „Eine Bekannte hat nicht so viel Geld und kann sich das nicht leisten, momentan schon gar nicht. Ich möchte ihr eine Freude machen und werde ihr das alles bringen. Mir tut das nicht weh.“ Sie werde das nun alle 14 Tage machen. Es herrschte Stille um sie herum. Wer glaubt, die Dame wollte gelobt werden, irrt. Sie zahlte, verabschiedete sich freundlich und ging. Zurück blieben Menschen, die tüchtig staunten.

Schon während der Corona-Pandemie wurde viel von Solidarität gesprochen, viele haben sie auch intensiv gelebt. Die Marketingbranche ist rasch auf den Zug aufgesprungen, um Pseudo-Schwarmgemeinschaften in einer Dauer-Duz-Welt zu kreieren. Die meist nicht mehr existieren, wenn ein „Mitglied“ dann wirklich Hilfe braucht.

Ich will nun nicht in die Grundsatzdiskussion einsteigen, ob im sehr reichen Deutschland eine zumindest gewisse Umverteilung der Ressourcen nicht langfristig sinnvoll wäre. Die Frau am Obststand hat es ganz einfach und ohne jede Vorgabe „von denen da oben“ gemacht.

Wenn jede und jeder, die und der es kann, in seinem persönlichen Umfeld ein bisschen hilft, ist schon viel erreicht. Das ist dann wahrhaft gelebte Solidarität. Stattdessen klagen oft diejenigen besonders laut, denen es weiterhin sehr ordentlich geht.

Ich kenne die Dame nicht, ich werde ihr wohl auch nicht mehr allzu oft begegnen. Ihre unaufgeregte Verhaltensweise hat mich umso mehr fasziniert. Hoffentlich (und wahrscheinlich) gibt es viele Menschen, die ähnlich agieren, ohne groß darüber zu reden. Und das ist toll.