Kommentar über Kinderarmut in Wuppertal — und die Folgen No Future mit acht — und keinen interessiert’s?
Wuppertal · Wissen Sie noch, was Sie gemacht haben, als Sie acht Jahre alt waren? Wahrscheinlich haben Sie Fußball gekickt, Gitarre spielen gelernt, haben den Sommer im Freibad verbracht und den Winter beim Rodeln.
Und wenn Sie mit Ihren Freunden unterwegs waren, haben Sie möglicherweise auch mal was ausgeheckt. Und ja, vielleicht hat der ein oder andere auch mal eine Packung Kaugummi mitgehen lassen.
Dass es jedoch in unserer Stadt Acht- oder Zehnjährige gibt, die professionell Diebstähle begehen und Frauen bedrohen, die wegen Drogendelikten auffällig sind und sich sexuell anbieten, das ist so ungeheuerlich, dass man kaum Worte findet. Gibt es sowas nicht nur in sehr armen Ländern? Doch nicht hier bei uns! In Deutschland, einem der reichsten Länder Europas.
Doch genau so ist es. In Wuppertal gilt ein Drittel aller Kinder als arm. Das heißt, sie selbst sind nicht arm; ihre Eltern sind es. Doch Armut vererbt sich. Sind die Eltern bereits sozial abgehängt, arbeitslos oder allein erziehend, dann ist auch für deren Kinder die Prognose düster. No Future mit acht. Was für ein Label auf einem Leben, das gerade erst am Anfang steht. Was für ein Schicksal für ein Kind, dem alle Türen offen stehen sollten.
Versuchen wir es mit Empathie. Wie fühlt sich das an? Was tut ein Kind, das genau spürt, dass es in der Schule nicht mithalten kann? Das keinen Rückhalt zu Hause hat, keine verlässliche Beziehung, niemanden, der es auffängt. Wahrscheinlich sucht sich es sich dort Herausforderungen, wo er sie auch meistern kann. Wo es stark ist und Macht spürt. Mit anderen, denen das Leben schon genau so früh so übel in die Suppe gespuckt hat. Und niemanden, so scheint es, interessiert es.
All das wissen wir. Wahrscheinlich haben wir die Armutszahlen letztes Jahr gehört und waren entsetzt. Kurz jedenfalls. Dann haben wir weitergemacht. Mit unserem Leben. Und auch die Stadt, die sich die Bekämpfung von Kinderarmut auf die Fahnen geschrieben hat, wirkt bei dem Thema irgendwie planlos. Vor allem präventiv passiert einfach zu wenig. Bei aller Begeisterung für Großprojekte wie dem Döppersberg, eine BUGA oder ein Tanzzentrum, die zweifellos wichtig sind für Wuppertal — wir können keine Zukunft für die Stadt planen, wenn wir ein Drittel einer Generation nicht mitnehmen! Dass uns das ganz schmerzhaft auch auf die Füße fällt, bekommen wir gerade zu spüren. Und es ist erst der Anfang.
In der Alten Feuerwache kämpfen Jana Ihle und Joachim Heiß mit beeindruckender Leidenschaft und Unmengen Litern Herzblut dafür, dass Kinder aus armen Familien eine Zukunft haben. Sie fühlen sich verantwortlich und tun — vor allem mit Spendengeldern — was sie können, um ihre Konzepte umzusetzen. Wo genau ist dieses Engagement bei der Stadt?