Der ESC-Blog des Wuppertaler Musikexperten Peter Bergener Deutscher Vorentscheid: Eine bunte Mischung
Wuppertal / Köln · Nur noch eine Woche, dann ist es endlich soweit: Am 25. Februar 2016 findet die deutsche Vorentscheidung der Eurovision statt, gar nicht weit weg von Wuppertal — und zwar in den Brainpool-Studios in Köln.
Das Erste überträgt diese Sendung live ab 20.15 Uhr, Barbara Schöneberger wird den Abend moderieren.
Eigentlich wurde als Vertreter Deutschlands beim ESC dem Künstler Xavier Naidoo vom NDR eine Direktnominierung ausgesprochen. Der Plan war, dass Xavier Naidoo in einer Live-Show sechs Lieder singen wird. Das Publikum sollte dann einen Song wählen, der für Deutschland in Schweden an den Start gehen wird. Direktnominierungen in der Eurovision sind keine Seltenheit. So z.B. schickte Deutschland 1993 die bekannte Gruppe 'Münchner Freiheit‘ und landete mit dem Song "Viel zu weit" in der Tat viel zu weit hinten auf Platz 18. Auch unsere Nachbarn hatten bei einer Direktnominierung nicht immer Glück.
Die Niederlande nominierten 1994 die in ihrem Heimatland sehr bekannte Sängerin Willeke Alberti. Das Publikum wählte aus einigen Songvorschlägen den Beitrag "Waar is de zon (dt. "Wo ist die Sonne"), jedoch im Finale kam Willeke nur auf den 23. Platz unter 25 Teilnehmern. Für sie war in der Tat keine Sonne mehr in Sicht. Nichtsdestotrotz hat es ihrer Karriere in den Niederlanden nicht geschadet: 1996 wurde die sympatische Willeke von der niederländischen Königin als Ritter des Ordens von Oranien-Nassau ausgezeichnet.
Doch das ist alles Schnee von gestern, denn der NDR musste einen Rückzieher machen, nachdem im Internet ein Aufruhr gegen Xavier Naidoo ausbrach, wie ich ihn persönlich noch nie in Deutschland bei der Eurovision erlebt habe. So ließ der NDR im November 2015 verlauten, dass Xavier Naidoo nicht für Deutschland in der Eurovision antreten wird. Inwieweit nun an der Kritik gegenüber der Person Xavier Naidoo was dran ist oder an den Aussagen im Internet, kann ich nicht beurteilen, aber nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass nach dem "Skandal" um Andreas Kümmert im letzten Jahr erneut wieder ein "Skandal" in der deutschen ESC-Geschichte geschehen wird.
Nun stand der NDR unter enormen Zeitdruck, man musste sich ein neues Konzept überlegen. Doch das Ergebnis kann sich sehen lassen, ein großes Lob an das Eurovisionsteam vom NDR. Die diesjährige Vorentscheidung ist genauso, wie ich es mir persönlich immer gewünscht habe. Eine bunte Mischung aus vielen Genres und verschiedenen Künstlern und für jeden Geschmack etwas dabei.
Zehn Acts, die aus 150 Vorschlägen von Radios, Plattenlabels, Produzenten und Künstlern eingegangen waren, wählten Fachleute für die deutsche Vorentscheidung aus. Für die Showinszenierung werden Ideen aus Studiengängen an Film- und Kunsthochschulen aus Deutschland berücksichtigt. Wir, die Zuschauer, wählen dann in zwei Durchgängen unseren Favoriten entweder per Telefon oder SMS und zum ersten Mal auch über eine offizielle Eurovisions-App und der Voraussetzung, dass der User in Deutschland registriert ist.
Nun, die zehn Künstler, die antreten, reichen von Friedensballade bis hin zum Schlager, von gregorianischer Musik bis hin zu, ja, und das freut mich besonders: Ralph Siegel. Wer meine Artikel in den letzten Jahren verfolgt hat, der weiß, dass ich mit Ralph Siegel befreundet bin. Daher ist die Freude meinerseits besonders groß, denn nach mehr als elf Jahren tritt er als Komponist beim deutschen Vorentscheid wieder in Erscheinung und das mit der Düsseldorferin (!) Laura Pinski, die 2012 im Finale von "Das Supertalent" den fünften Platz erreichte. Da schon bewies, welche außerordentliche Stimme sie hat.
Den Song von Ralph (Siegel) sowie dem Textschreiber John O'Flynn "Under the sun we are one" habe ich leider noch nicht gehört, denn er wurde als einziger Song der zehn Vorentscheidungslieder bisher noch keiner Öffentlichkeit vorgestellt. Ich bin schon sehr gespannt. Man muss sagen, dass alleine schon die Teilnahme an der Vorentscheidung ein großer Erfolg für jeden Künstler ist. Ich drücke Ralph und Laura alle Daumen, aber ich weiß auch, dass die Konkurrenz enorm groß ist, denn Laura muss sich auch gegen Jamie-Lee Kriewitz durchsetzen.
Jamie-Lee ist die aktuelle Siegerin von "The Voice of Germany 2015". Der Gewinnersong aus dieser Show "Ghost" ist ihr Beitrag zum Vorentscheid. Die Sängerin, die neben ihrer großartigen Stimme auch mit ihren fantastischen Outfits im Manga-Style positiv auffiel und zum Publikumsliebling avancierte, ist auch aktuell mit dem Song bereits in den Charts vertreten. Das könnte von Vorteil sein, aber die Eurovision ist nicht planbar, sondern oft voll von Überraschungen.
Doch auch die anderen Konkurrenten, sei es Ella Endlich mit dem deutschsprachigen Pop-Song "Adrenalin" oder die Gruppe Avantasia, ein Soloprojekt des deutschen Power-Metal-Sängers Tobias Sammet, der als Sänger der Band Edguy bekannt wurde, haben es verdient. Und ich bin auf die Live-Performance von Avantasia und dem Song "Mystery of a blood red rose", das sich bombastisch wie eine Rock-Oper und einer Mischung von Rocky-Horror-Picture-Show, Alice Cooper und Kiss anhört, schon sehr gespannt.
Ich bin offen für alle Musikrichtungen und ebenso lass ich mich von der Pop-Rock-Band Luxuslärm überraschen, die bereits eine Echo-Nominierung und den vierten Platz beim Bundesvision Song Contest belegt haben. Eine ganz andere Stilrichtung wird mich nächsten Donnerstag aber vielleicht auch beflügeln, denn der Song "Protected" des Indie-Pop-Duos Keoma der australischen Sängerin Kat Frankie, die nun in Berlin lebt zusammen mit Chris Klopfer, einem Rockmusiker aus Köln, zeigt eine ganz andere Facette außergewöhnlicher und hervorragender Produktion deutscher Musik, die auf keinen Fall die internationale Konkurrenz scheuen muss.
Also, was will man mehr von einer Vorentscheidung mit einer Bandbreite, die in ihrer Vielfalt und Buntheit genau dem Motto der diesjährigen Eurovision 2016, der am 14. Mai 2016 in Stockholm stattfindet, entspricht: Come together!
Ich bin dabei und Ihr?
Musikalische Grüße, Euer Euro-music-Peter!