ESC-Blog des Wuppertaler Musikexperten Peter Bergener Turin 2022: Vom ersten und vom 25. Platz
Wuppertal / Turin · Na, habe ich es doch in meinem vergangenen Artikel schon angekündigt, dass die Wahl des ESC-Siegers 2022 gar nicht schwierig dieses Jahr war, da alle Zeichen auf einen Erfolg der Ukraine standen.
Obwohl die Jurys den ukrainischen Sieger „Kalush Orchestra“ mit dem Song „Stefania“ nur auf dem vierten Platz sahen, hat das überragende Televoting-Ergebnis der Zuschauerinnen und Zuschauer die Ukraine ganz nach oben katapultiert. Das war ein Abstimmungskrimi vom Feinsten!
Es haben 28 der 39 Länder des Televotings dem „Kalush Orchestra“ jeweils zwölf Punkte gegeben, der Rest war auf zehn oder acht Punkte verteilt. Eine unglaubliche Solidarität der TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer in ganz Europa beim ESC 2022. Vielleicht mal zum Vergleich: Italien gewann 2021 inklusive Jury und Televote mit 524 Punkten. Die Ukraine landete dieses Jahr mit unglaublichen 631 Punkten auf Platz eins. Herzlichen Glückwunsch!
Auf dem zweiten Platz folgte Sam Ryder mit einem sehr hitverdächtigen Song „Space-Man“. Man beachte, dass UK 2021 Schlusslicht mit null Punkten war. Wie man sieht, gibt es noch Hoffnung für Deutschland 2023 ...
Leider ist Deutschland mit dem sympathischen Malik Harris und dem Song „Rockstars“ auf dem letzten Platz gelandet. Nachdem die Jurywertung nicht einen einzigen Punkt an uns vergeben hatte, hatte ich bei der Abstimmung darauf gehofft, dass vielleicht das Publikum unseren Song etwas mehr würdigte, aber leider gab es nur „mickrige“ sechs Punkte. Vielleicht ein kleiner Trost ist, dass jeweils zwei Punkte von unseren Nachbarn Österreich und der Schweiz sowie von Estland kamen. Danke den Dreien, dass sie zumindest etwas unseren Song würdigten.
Das Resümee bleibt aber, dass sich jetzt der zuständige deutsche Sender NDR wirklich etwas einfallen lassen muss, damit wir aus dieser Misere wieder rauskommen. Entsprechende Zusammenkünfte sollen in den nächsten Wochen stattfinden. Ein Tipp: Wir brauchen erst einmal keinen Radio-Hit, sondern einen Song, der das Publikum an dem Finalabend verzaubert. Dass sich daraus später ein Radio oder Europa-Hit entwickelt, wäre dann prima und das I-Tüpfelchen. Vielleicht auch mal etwas mehr Mut bei der Auswahl der Lieder zeigen, etwas Neues und Außergewöhnliches zu bringen.
Und noch ein Vielleicht: Vielleicht täte uns auch ein bisschen mehr Patriotismus im ESC gut, so wie ich das schon seit Jahren und erst recht dieses Jahr bei den Spaniern erlebte. Die kamen auf den dritten Platz. Genauso spürte ich bei UK einen Patriotismus wie bei vielen anderen europäischen Ländern, deren Ergebnis sich sehen lassen kann.
Wenn wir natürlich nicht voll zu unserem ESC-Song stehen und Medien den Song zerreißen, warum sollten die anderen Länder uns dann für unseren Beitrag Punkte geben? Dies hatte mir schon mal ein internationaler Journalist vor Ort beim ESC gesagt, und da ist was Wahres dran! Daran sollten wir arbeiten! Beim Fußball klappt das doch auch!
Nichtsdestotrotz habe ich eine unglaublich tolle Zeit in Turin verbracht – sei es musikalisch, sei es historisch, sei es in Gesprächen mit den vielen Menschen aus ganz Europa. „Torino, che spettacolo“, so wurde ich mit einem großen Plakat überall in den Straßen bei der Ankunft begrüßt. Es war wirklich so – ein „Spektakel“ vom Feinsten. Bravo, Torino!
Ganz viele musikalische Grüße, und ich hoffe, dass Euch meine Eindrücke vom ESC 2022 gefallen haben. An den „Germany 12 points“ wird gearbeitet, und die kommen dann nächstes Jahr. Die Hoffnung niemals aufgeben!
In diesem Sinne, Ciao, tanti saluti, Euer Euro-Music-Peter!