Top Magazin Wüstenabenteuer mit Familienglück
Wuppertal · Eine spontane Idee führte den Wuppertaler Lars Bunse (50) vor vier Jahren in den Senegal. Bis kurz vor der Reise wusste der Videoproduzent nicht, was ihn in Westafrika erwartet. Ein paar Tage später traf er die Liebe seines Lebens: die 30-jährige Mame Diarra.
Mit Selly Wane hatte sich Bunse im Mai in einem Elberfelder Szene-Lokal getroffen. Die Senegalesin, die in Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert hat, handelt mit Upcycling-Produkten. In den Slums der Hauptstadt Dakar lässt sie leere Ölfässer oder Treibholz in neuwertige Produkte umwandeln. Lampenschirme, Kleinmöbel oder Schmuck — Handwerkskunst aus dem Senegal. Bunse wollte darüber einen Film machen. "In zwei Tagen fliege ich nach Hause", hatte die Afrikanerin ihm beim Kaffee erzählt. "Da komme ich mit!", äußerte er spontan. "Okay, dann kümmere ich mich um Unterkunft und Verpflegung, du musst dir nur einen Flug besorgen."
Dann verschwand Selly, um die Reise vorzubereiten. Zu Hause kam Bunse ins Grübeln. Auf was hatte er sich da eingelassen? Wollte er diese Reise überhaupt? Und so bald?
In seiner Wohnung auf dem Rott suchte der damalige Single nach ersten Informationen im Internet: Senegal. Dunkles Afrika. Malaria, Dengue-Fieber, Ausländerentführungen, Erpressung. Doch die Reiselust siegte schließlich, auch wenn das Abenteuer ein wenig Aufschub verlangte: "Mein Hausarzt hatte zwar am nächsten Tag schon einen Termin für mich, riet aber, später zu fliegen, damit die Impfung wirkte."
Dakar. Sein Reiseziel kannte er bislang nur als Endpunkt der berühmten Rallye. Von Paris dorthin konnte es ja nicht allzu weit sein, habe er damals gedacht, berichtet er im Top-Interview. Weit gefehlt: Zwischen der am Atlantik gelegenen Hauptstadt des Senegal (bis 1960 der französische Kolonialstaat "République du Sénégal" mit heute rund 14,3 Millionen Einwohnern) und der Seine-Metropole liegen stolze 4.208,83 Kilometer. Geflogen — die Fahrstrecke beträgt gar 5.262 Kilometer. Aus dem Bergischen sind es 4.624 Kilometer, im Auto 5.744 Kilometer Langstecke mit Wüstenabenteuer pur.
Nach zwölf Stunden an Bord und Umsteigen in Madrid hieß es "Salaamalekum, willkommen in Dakar!" Im Jahr 1444 hatte der portugiesische Seefahrer Dinis Dias die etwa 100 Quadratkilometer messende Halbinsel Cabo Verde entdeckt, auf der später die Stadt entstand. Heute leben 1,1 Millionen Einwohner dort — allein das war für den Wuppertaler eine Umstellung.
Mitten in der Nacht landete er. Vor dem Flughafen stürmten quirlige Menschen in dichtem Gedränge und eine wahre Flut unbekannter Laute auf ihn ein. "Ich sah nur noch bunte Kleidung um mich herum, keine Gesichter, alles war schwarz!" Leuchtturmgleich hingegen erstrahlte Bunse in seiner hellen Haut. Aus dem Dunkel tauchte Selly auf. Fröhlich begrüßte sie den "Toubab". Was für uns wie ein Musikinstrument klingt, heißt auf Wolof, der senegalesischen Landessprache, "weißer Mann".
Im alten Taxi mit Selly auf dem Weg zu ihren Eltern, wo er übernachten sollte, sammelte er weitere Eindrücke und fühlte sich zunächst wie auf einem anderen Planeten. Der Fahrer verstand kein Französisch. Im Senegal sprechen circa 80 Prozent der Bevölkerung nicht die Amtssprache, sondern Wolof. Das wird seit der Kolonialherrschaft Frankreichs mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Zur Islamisierung im elften Jahrhundert verwendete man zunächst das arabische Alphabet. Doch mit dem Schreiben sei das so eine Sache in Westafrika, betont Bunse. "Es gibt noch sehr viele Analphabeten!" So nütze es meist nichts, einem Taxifahrer eine schriftliche Adresse zu zeigen.
Gleich am ersten Tag geht es in die Slums der Stadt. Der Wagen hoppelt über staubige Pisten am Stau vorbei an beladenen Eselskarren, spielenden Kindern und Lastwagen längst vergessener Marken und Typen, die hierzulande Museen zieren. Selly führt ihn durch ihre Werkstätten. Unermüdlich schlägt ein junger Mann in einem Muskel-Shirt mit dem Hammer auf ein Stück Blech aus einem ausgedienten Ölfass. Er hockt auf einem ausgedienten Autositz im Freien. Die Bilder hält der Wuppertaler Videofilmer fest. Später stellt er den Streifen auf YouTube (Stichwort "Senegal 2014") und lässt uns live dabei sein.
14 Tage verbrachte er bei Sellys Familie, lernte Land und Leute kennen und kehrte mit einem ganz neuen Bild vom Senegal ins Tal zurück. Auch die Erinnerung an Mame Diarra trug er im Gepäck. "Sie wohnte bei Sellys Schwester und hat mich oft bei meinen Ausflügen in der Stadt und zum Strand begleitet."
Schon als Kind war die junge Frau aus ihrem Dorf in die Hauptstadt gezogen, wo sie bei einer Tante aufwuchs und die Schule besuchen durfte. In Dakar konnte sie Abitur machen und eine Ausbildung im Bereich Videoproduktion absolvieren. Wieder im Bergischen hielt Bunse mit Mame Diarra über Facebook Kontakt. "Wir haben uns gegenseitig ein paar Monate ausspioniert", sagt er. Nach und nach wuchs in beiden der Wunsch nach einem Wiedersehen.
2015 flog Selly wieder in den Senegal und fragte: "Soll ich deine Hochzeit klarmachen?" Gesagt, getan. Aber eigentlich wäre Mame Diarra gern vorher sechs Wochen zur Probe nach Deutschland gekommen. "Doch ihre Familie hat das nicht erlaubt, weil es unüblich ist." Vor der Hochzeit dürfen Paare keine Zeit allein miteinander verbringen. "Kulturelle Bedenken gab es in beiden Familien!", fügt Bunse hinzu.
Afrika und Europa bergen viele Unterschiede, nicht nur in der Hautfarbe. "Mame Diarras Vater ist Bauer und hat zwei Frauen." Bis zu vier Ehefrauen sind laut Koran im islamisch geprägten Land erlaubt. Daran wird festgehalten, auch wenn der Staat sonst in mancher Hinsicht eine Vorreiterrolle in Afrika spielt. Beim Rechtssystem ist man moderner als die Nachbarn, und die Zwangsehe wurde mittlerweile gesetzlich verboten.
Wir nehmen es vorweg: Wuppertal — Dakar endete glücklich. Die Verliebten haben den "großen kulturellen Sprung" gewagt. Und nicht bereut. Sellys Verhandlungen mit Mame Diarras Vater waren erfolgreich verlaufen. So konnte Bunse einen Tag vor Silvester wieder in den Flieger steigen, um am 3. Januar 2016 den Bund fürs Leben zu schließen. Eine Kuh, ein Schaf, ein Dutzend Hühner, Musiker und DJ waren schnell geordert und kosteten ihn rund 1.500 Euro.
Die traditionellen Hochzeitsanzüge — "man zieht sich zur Heirat mehrmals am Tag um, je öfter, umso besser" — wurden bei einem Schneider vor Ort in Auftrag gegeben. "Das Oberteil ist wie ein Kleid geschnitten und hat Taschen, die nach hinten genäht sind. Die Hose, eine Art Schlauch mit zwei Röhren, wird oben mit einem Band gehalten." Das Outfit sei bequem, fügt er hinzu und vor allem luftig, ein Vorteil bei der Hitze.
Einige Bewohner in Mame Diarras Heimatdorf Ndondol fanden den Anblick des weißen Mannes ungewöhnlich. Vor allem die Kinder staunten und wollten ihn immer wieder anfassen. Die Hochzeit wurde eine bunte und ausgelassene Feier mit etwa 1.500 Gästen. Und so viel getanzt hatte Bunse noch nie! Zu fremden Klängen und Trommelrhythmen schlug er sich tapfer — über Stunden. Auch hierzu wurde ein Film gedreht. Zu essen gab es Karotten, Reis und Zwiebeln, dazu Fleisch. "Serviert wird in großen, flachen Tellern. Man isst auf dem Boden und nur mit der rechten Hand, ohne Besteck!" Auch daran musste sich der Europäer erst gewöhnen.
Seit neun Monaten ist das glückliche Paar um noch eine Erfahrung reicher: Der Sohn kam zur Welt. Der nahezu immer fröhliche Ousmane Paul hält sie auf Trab. "Den Doppelnamen hat er von den Großeltern", erzählt Mame Diarra. Im Dezember reiste die kleine Familie zur Taufe in den Senegal. Wuppertal — Dakar: diesmal mit den stolzen Großeltern.