Wuppertaler leitet Top-Rösterei Über Kaffeesäcke gestolpert
Wuppertal · Münchens angesagteste Kaffeerösterei betreibt ein Wuppertaler: Alexander Vits hat auf der Suche nach dem "Ding" seines Lebens die Bohne entdeckt und veredelt sie zu betörenden Kaffeekreationen.
Äußerlich hat er wenig von dem legendären Tschibo-Kaffeeexperten, der mit rundem Bauch und schwarzem Bowler gemächlich durch die Plantagen schritt, um die vielversprechendsten Bohnenstauden herauszufiltern. Alexander Vits ist ein schlanker, dynamischer Typ im legeren T-Shirt, der sich zwar auch gelegentlich zur Kaffee-Safari in Südamerika aufhält — aber nicht, um ganze Schiffsladungen für die industrielle Weiterverarbeitung zu ordern, sondern um hier oder da einige Zentner hochwertiger Früchte für seinen trendigen "Coffeeshop" in der Münchener Innenstadt zu erwerben.
Zum Experten auf diesem Gebiet hat er sich selbst gemacht, denn von Haus aus ist Vits Maschinenbau-Ingenieur. In Aachen diplomiert hätte er damit auch Karriere machen können, entschied sich aber für eine Unternehmensberatung. "Für die bin ich einige Jahre durch die Gegend gejettet", aber den richtigen Kick brachte auch das nicht. Den brachte hingegen ein "Erweckungserlebnis" in einer kleinen Kaffeerösterei in Barcelona im Jahr 2002. "Bis dahin hielt ich Kaffee für ein braunes, bitteres, koffeinhaltiges Getränk, das ja im Berater-Alltag auch nicht ganz unwichtig ist", schmunzelt er.
Die Besuche im "El Magnifico" aber machten ihm klar, wie der kleine Schwarze je nach Lage der Herkunfts-Bohne völlig unterschiedlich schmecken, welchen Duft und Genuss er dabei entfalten kann. Das Thema Kaffee kam gerade ein wenig in Schwung — "und ich dachte ohnehin, jetzt muss sich was ändern und es wäre doch eine schöne Idee, sich selbstständig zu machen." Starbucks und Segafredos schossen wie Pilze aus dem Boden, aber Vits wollte keine Fast-food-Produkte mit Karamell-Topic-Topping vertreiben, sondern seinen Kunden die Welt des Kaffees nahe bringen. Ein Sabbat-Jahr lang beschäftigte er sich mit Business-Plänen, besuchte andere "Musterbetriebe" und entschied letztlich die Frage, ob es Liebhaberei ist oder sich ökonomisch tragen kann, mit der Anmietung eines Ladenlokals nahe dem Isartor. "München war ein gutes Pflaster für mein Modell, aber die erste Zeit war dennoch nicht ganz leicht", resümiert er. Doch "wenn man sich mit einer Idee identifiziert und sie mit Leidenschaft umsetzt", so (nicht nur) seine Erfahrung, ist dies zwar keine Garantie, aber eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg, der dann auch zum Tragen kam.
Und der schon einleuchtet, wenn man durch die Tür des Betriebs ins Innere tritt. Intensives Kaffeearoma durchströmt den großen Raum, in dem sich eine kunterbunte Klientel mit den unterschiedlichsten Kreationen den Feierabend versüßt. Das Herz des Etablissements schlägt rechts in der Ecke, wo zwei Röstmaschinen ihren Dienst verrichten. Ihre Erzeugnisse finden sich unter anderem hinter der Ladentheke, wo Äthiopien mit Kolumbien, Brasilien mit Tansania konkurriert. Das halbe Pfund meist zu fünf bis acht Euro, aber auch mit Ausreißertarifen von 20 oder 35 Euro. "Der Konsument ist zunehmend bereit, für ein favorisiertes Produkt auch den entsprechenden Preis zu bezahlen", freut sich Vits über die Genussfreude nicht nur von Besserverdienenden. Ihm wie ihnen ist die Qualität wichtig, die Vielfalt und Intensität der Aromen. Vits kennt die Fincas und Kooperativen, die jene hochwertigen Pflanzen anbauen, die dafür verantwortlich sind. Und er kennt auch die Wertschöpfungsketten, die dahinter stecken, weswegen er auf Fairtrade-Labels verzichtet: "Deren Kontrollfunktionen übernehme ich selbst, diese Verantwortung möchte ich auch nicht abgeben." Da geht's ihm wie dem Weinhändler, der "seine" Winzer auch genau einschätzen kann.
Eine seiner jüngsten Errungenschaften macht Vits besonders viel Spaß: Die ersten vier Säcke einer Kaffeesorte, die ein Freund einer gebürtigen Südamerikanerin aus seinem Münchener Team "zu Hause" in Peru angebaut hat. "Sie glauben nicht, wie viel Einfluss der genaue Standort der Pflanzen auf den Geschmack hat, welche verschiedene Möglichkeiten es gibt, den Kern der Kaffeekirsche freizulegen und was es bewirkt, wenn das Fruchtfleisch dort länger verbleibt", deckt er nur einige seiner Grundkenntnisse auf, die er im Lauf der Jahre über das Wunderland des Kaffees gewonnen hat. Viel gelesen hat er, experimentiert auch — und natürlich Unmengen verkostet. Auch von jenem schwarzen Gold, das bei internationalen "Cup of excellence"-Wettbewerben auf 100-Punkte-Jagd geht und deren siegreiche Parzellen anschließend zu Wahnsinnpreisen meist von Japanern ersteigert werden.
Wieviel Kaffee trinkt jemand in seiner beruflichen Funktion neben all den ständigen " Cuppings", bei denen die Flüssigkeit nach dem Verkosten wieder ausgespuckt wird? "Fünf bis acht Espressi" mögen nach seiner Einschätzung am Tag zusammenkommen — jedenfalls nicht mehr als die normale Kaffeeration von Commissario Brunetti oder anderer italienischer Café-Flaneure. Wobei Vits gelegentlich auch eine Tasse Filterkaffee einstreut — mit einer hellen, fast teeartigen Röstung und einem frischen Aromaspektrum. Aber bei zu häufigem Verzehr auch mit einem leichten Säureproblem, das die dunklen Röstungen nicht kennen. "Dafür droht bei ihnen die Gefahr, dass die Aromen verbrennen", weist Vits auf die Einflusskomponenten des Röstvorgangs hin. Seine Bohnen werden bei 200 Grad 12 bis 18 Minuten lang schonend erhitzt, dabei sind sie in der Trommel ständig in Bewegung — so wie ihr Röstmeister, der neben Events auch Schulungen und Seminare anbietet und soeben einen zweiten Standort gefunden hat. Bei dem Pensum steht nicht zu befürchten, dass er beizeiten den Leibesumfang des Tchibo-Experten annimmt…