Designerin Andrea Halstenbach Modeträume made in Wuppertal
Wuppertal · Entworfen in Wuppertal, gefertigt in Italien, gefeiert bei der New York Fashion Week: Das Label Halstenbach Fine Clothes erobert mit Qualität, Stil und einem ungewöhnlichen Konzept die Mode-Metropole.
Ein beigefarbener Strickmantel, Pullover in Pudertönen und ein ärmelloser Jumpsuit. Mehr gibt es gerade nicht zu sehen, die Kleiderstange im Büro von Andrea Halstenbach ist momentan relativ leer. Und das hat gute Gründe. "Die meisten Teile sind derzeit bei diversen Modemagazinen und Stylisten", sagt die Designerin. Seit der New York Fashion Week im September wird ihre Mode begeistert herumgereicht. Magazine und Models lieben die edlen Stoffe und lassen sich gern damit ablichten. "Das ist natürlich toll, bessere Werbung gibt es ja gar nicht. Daher sehe ich das sehr entspannt, wenn ich gerade nicht weiß, wo die Sachen sind oder ob es auch mal Flecken daran gibt", erzählt die Wuppertalerin lachend.
Der Erfolg in New York, er ist auch hier in Unterbarmen noch ganz nah. Andrea und ihr Mann Ulrich Halstenbach sitzen in ihrem selbst umgebauten Fachwerkhaus und versuchen die Ereignisse der letzten Woche etwas zu sortieren. Dass ein so kleines Label wie Halstenbach es bei der Fashion Week schafft, das ist durchaus ungewöhnlich. "Es war eine Mischung aus ganz viel Glück, viel Zufall und sorgfältiger Vorbereitung", analysiert Ulrich Halstenbach, Unternehmensberater.
Bereits vor drei, vier Jahren haben sie über den Schritt nachgedacht, nach New York zu gehen. Und sich kontinuierlich darauf vorbereitet. Den Markt beobachtet, Kontakte geknüpft, Strategien entwickelt. Dabei stießen sie Anfang des Jahres durch Zufall auf "Flying Solo", einen Zusammenschluss aus mittlerweile rund 60 unabhängigen Designern aus aller Welt mit einem eigenen Verkaufsstore am West-Broadway. Ein Konzept, das auf dem Wissen beruht "Nur zusammen sind wir stark" und das von der Presse bereits bejubelt wurde, als die Wuppertaler dazustießen. "Die sind in dem Jahr so durchgestartet", sagt er, "dass wir einfach mitgezogen wurden."
Klar, die Medien lieben diese Geschichte von den kleinen Designern, die gegen die großen, etablierten Marken kämpfen, die den Markt üblicherweise bei der Fashion Week beherrschen. Und daher erzählten sie alle von den spannenden internationalen Designern und ihrem zukunftsweisenden Konzept, ohne Zwischenhändler und Agenturen direkt an die Kunden zu verkaufen, von der zweistündigen Laufsteg-Show mit mehr als 350 verschiedenen Looks, die man anschließend sofort kaufen konnte: von der New York Times, Harpers Bazaar und Marie Claire. Und mittendrin: Andrea Halstenbach. "Viele fanden meine Stücke so herausragend, dass sie sie anschließend im Store an erster Stelle platziert haben."
Herausragend, das ist vor allem die Qualität der Ware. "Wir verarbeiten nur das beste Garn und die hochwertigste Kaschmirwolle, die man bekommen kann", erklärt die zierliche Designerin, die ihre Entwürfe in Italien fertigen lässt. "Ich kenne jeden, der für mich strickt und wir bezahlen erwachsene Italiener in Italien angemessen für ihre Arbeit", stellt sie klar — und hebt sich damit gegen den Trend mancher Kollegen ab, Billigarbeiter aus China in Kellern alter Häuser in der Toskana für sich arbeiten zu lassen. Ausschließlich für den Hinweis "Made in Italy". "Ich habe sowas selbst dort gesehen", sagt Andrea Halstenbach. Ihr Anspruch hat natürlich auch seinen Preis. "Wir sind hochpreisig, aber mir ist es lieber, die Frauen kaufen sich ein hochwertiges Teil, das sie viele Jahre lieben, als permanent neue Billigware. Und die Sensibilität für faire Mode wächst zum Glück gerade."
Vor rund 14 Jahren gründete die Designerin das Label Halstenbach Fine Clothes und konzentriert sich dabei auf edle Strickwaren aus hochwertigstem Kaschmir und feinster Merinowolle. Neben erstklassiger Verarbeitung und luxuriösen Garnen kennzeichnet auch das exklusive Design die Linie. "Ich würde es als sehr puristisch mit klassischen Elementen bezeichnen", so Halstenbach. "Was wir liefern, ist schon erste Sahne." Sehr langsam und sehr bewusst sei ihr Unternehmen gewachsen — allein schon wegen der Kinder. So lange die klein waren, waren keine großen Schritte denkbar: "Ich bin einfach nicht multitaskingfähig!" Doch eines war der Wuppertalerin immer klar: "Eines Tages hängen meine Teile in New York."
Think Big, das ist durchaus das Motto der gelernten Schneiderin. Das große Ziel: Paris. "Das wäre ein Traum, aber dort Fuß zu fassen, ist schwierig", sagt Andrea Halstenbach. "In Amerika sind alle unglaublich offen und neugierig auf neue Designer aus Europa, das macht vieles leichter." Die wahnsinnig positive Resonanz hat sie motiviert und in ihrem Ansporn bestärkt: "Ich will groß. Ich will international. Ich will in die oberste Liga!"
Noch ist Halstenbach Fine Clothes ein Familienunternehmen. Alle sind involviert in das Projekt. So ist das blonde Model Lea Dinger eine Freundin ihrer Tochter, die Fotografin Lisa Jureczko, die viele der Modeaufnahmen gemacht hat und kürzlich in der Vogue Beachtung fand, ebenfalls. Und für das Video auf der Facebookseite des Unternehmens zeichnet Marcel Becker-Neu verantwortlich — einer der Köpfe der mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Internet-Serie "Wishlist". "Er ist seit Kindertagen ein Freund der Familie", erzählt Andrea Halstenbach. Irgendwie typisch Wuppertal.
Für den nächsten Schritt muss die ehrgeizige Designerin jedoch über ihre bisherigen Größenordnungen hinaus denken. Die Nachfrage nach ihrer Kleidung ist so groß, dass einfach andere Stückzahlen gefertigt werden müssen. Doch auch darauf haben sich die Halstenbachs längst vorbereitet. "Wir haben das vor New York einkalkuliert und dafür vorgeplant", verrät der Unternehmensberater. Gerade erst haben sie mit Flying Solo einen Pop-up-Store in Hong Kong eröffnet, ein weiterer wichtiger Schritt zur internationalen Karriere. Weitere Stationen könnten Dubai, Moskau und Shanghai sein.
Und im Februar steht bereits die nächste große Modenschau in New York an. Viel zu tun also. Doch die Halstenbachs sehen es gelassen: "Wir sind zu allem bereit!"