Am 8. November in Oberbarmen Jugendprojekt „Ich bin Käthe!“ feiert die Premiere
Wuppertal · Die türkische Transfrau Rüya steht im Mittelpunkt des Jugendmusikprojekts „Käthe“, mit dem die evangelische Kirche in Wuppertal ein Statement für ihre Willkommenskultur setzt. Am 8. November 2024 wird ab 20 Uhr im Schülercafé SCOT (Hügelstraße 14) Premiere gefeiert.
Es sollte nur ein kurzer Besuch im der Kirchengemeinde Gemarke-Wupperfeld werden. Einfach mal dort vorbeischauen, wo Rüya und ihre Freunde viel Zeit nach der Schule verbracht hatten. Doch aus dem kleinen türkischen Jungen Rüya ist mittlerweile eine Frau geworden, die an ihrem Coming-Out fast zerbrochen wäre. Und so wurde es langes Gespräch, an dessen Ende die Idee zum Song „Käthe“ stand.
„Meine Lebensgeschichte in einem Song zu erzählen und daraus ein ganzes Musikprojekt als Statement für queere Menschen und Vielfalt zu machen, finde ich großartig“, sagt die 25-jährige Transfrau. „Viele Jahre wurde ich gezwungen, die männliche Rolle zu spielen und ein Doppelleben zu führe. Jetzt kann ich endlich so sein wie ich bin und werde dabei von ganz vielen Menschen unterstützt.“
Doppeltes Theaterspiel
Schon früh habe sie sich im falschen Körper gefühlt, erzählt Rüya und gerne mit Puppen gespielt, sich geschminkt und Kleider angezogen. Doch in ihrem streng religiösen muslimischen Elternhaus wurde das mit harter Hand unterbunden. Nur im Schülercafé SCOT, das sie sechs Jahre lang fast täglich besuchte, fühlte sie sich frei. „Hier musste ich mich nicht verstellen. Wenn ich in der Theatergruppe weibliche Rollen übernommen habe, wurde ich nie dafür gehänselt.“
Als ihre Eltern zu Aufführungen kamen, musste sie sich rechtfertigen und wieder wie ein typischer Junge agieren. „In der Türkei haben sie mich zu Mann gebracht, der mich von meiner krankhaften Neigung heilen sollte und später alle Kleider und Handtaschen zerschnitten, die ich mir heimlich gekauft hatte.“
Wohnungslos im Frauenhaus
Auch in der Schule und Ausbildung erlebte sie als Jugendliche Ausgrenzung, Mobbing und Hass. „Manchmal hatte ich so große Angst, dass ich lieber zuhause geblieben bin.“ Doch dort wurde der Druck mit den Jahren immer stärker, so dass sie nach Abschluss ihrer Ausbildung 2022 endlich wagte auszuziehen und als Transfrau zu leben.
Nach einer Woche im Hotel suchte sie über ein Jahr eine Wohnung. „Niemand wollte eine türkische Transfrau im Haus haben“, erzählt sie. Tagsüber ging sie arbeiten, nachts war sie in der Notschlafstelle, dann im Frauenhaus der Diakonie. Dennoch kam eine Rückkehr in ihr altes Leben für Rüya nicht in Frage. „Die gesamte Familie hat den Kontakt abgebrochen und darauf gewartet, dass ich reumütig zurückkomme und endlich die männliche Rolle annehme.“
Einsam habe sie sich gefühlt, erzählt Rüya, und nicht damit gerechnet, dass es so schwer sein würde, als Transfrau zu leben. Im März 2024 fand Rüya endlich ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, in der sie sich sehr wohlfühlt. Einen neuen Job hat sie auch, in dem sie sich kleiden und geben darf, wie sie möchte.
Käthe: ein Mutmachsong für alle
„Es war unglaublich mutig von Rüya, diesem Druck standzuhalten und mit Selbstverständlichkeit und Stolz zu ihrer Entscheidung zu stehen“, sagt SCOT-Leiter Holger Müller. Ihre besondere Geschichte hat er im Song „Käthe“ verarbeitet, denn dieser Frauenname klingt für ihn liebevoll und selbstbewusst.
„Es soll ein mutmachendes Lied für alle Jugendlichen sein, ihren Weg zu gehen und dabei zu wissen: Sie sind nicht alleine, andere stehen hinter ihnen und gehen mit“, betont der Jugendleiter. Ein Song, der ein Ausrufezeichen für eine andere Willkommenskultur setzen möchte – und deshalb nicht nur Teil eines neuen Konzertprogramms seiner christlichen Rockband C.BRAZ sein sollte, sondern mehr.
Die Vielfalt feiern
„Wir wollen Käthe über die Grenzen Wuppertals hinaus bekannt machen“, erklärt die Jugendreferentin des Kirchenkreises, Bettina Hermes. Mit Unterstützung des Jugendreferates und einer engagierten Gruppe von Christ:innen aus dem Bergischen Land ist rund um den Song ein Musikprojekt entstanden mit Video, CD Cover Design Wettbewerb, der Social Media-Solidaritätsaktion „Ich bin Käthe“ und einer großen Premierenparty am 8. November im Schülercafé SCOT.
„Es war ein harter Weg für mich, aber er hat sich gelohnt, denn ich bin endlich bei mir selbst angekommen“, sagt Rüya. „Und dieses Glück möchte ich feiern.“