Zusehen, wie alles zerfällt

Immer mehr Schrott-Immobilien infizieren die Stadt. Die Ursachen dafür sind vielfältig, die Lösungen rar. Denn wer sein Haus verfallen lassen will, der darf das tun. Der Stadt sind die Hände gebunden, die Öffentlichkeit muss zusehen.

Seit sechs Jahren ist dieses Haus in der Simonsstraße wegen Einsturzgefahr versiegelt. Für Stephan Frischemeier, der in der Nachbarschaft lebt und arbeitet, unerträglich. Er fordert ein härteres Eingreifen der Stadt

Foto: Jens Grossmann

Als eine Gruppe Autonomer im August ein leerstehendes Haus in der Marienstraße besetzte, legte sie damit den Finger in eine äußerst schmerzhafte Wunde. Vielen Bewohnern des Ölbergs war der Leerstand des Altbaus samt Ladenlokal längst ein Dorn im Auge. "Hier wird eine Immobilie heruntergewirtschaftet, weil die Eigentümer Teil des internationalen Finanzkapitals sind, die keinen Bezug zu den konkreten Lebensumständen in unseren Quartieren und Kommunen haben", meldete sich der Verein "Unternehmer/innen für die Nordstadt" seinerzeit zu Wort.

Und genau das hat Folgen: Während engagierte Ölberger über Konzepte zur Belebung oder Nutzung dieser Immobilien sinnieren, die ihren Stadtteil mit prägt, ist man auf Seiten der Besitzer mit dem Stillstand durchaus zufrieden. "Die Ölberg eG hatte in der Vergangenheit versucht, eine Zwischennutzung zu organisieren. Diese wurde von den Eigentümern abgelehnt, ebenso wie die neuerlichen Bemühungen, die Immobilie zu erwerben", sagt Gaby Schulten von der Ölberg-Genossenschaft. Sie wundert das nicht. Immerhin steht das Haus Marienstraße 41 bei dem insolventen Besitzer mit 140.000 Euro in den Büchern — weit über dem tatsächlichen Wert. "Die haben keinen Willen, an dem Haus etwas zu machen", so Gaby Schulten. "Die brauchen den Buchwert der Immobilie. Und sie sind noch nicht einmal vor Ort, so dass man sich mit ihnen auseinandersetzen könnte."

"Eigentum", sagt Jochen Braun vom Stadtressort Bauen und Wohnen, "ist ein streng geschütztes Gut in unserer Gesellschaft." Streng genommen bedeutet das: Wer sein Haus verfallen lassen möchte, darf dies tun — so lange es keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt. Viele Möglichkeiten einzugreifen habe die Stadt da nicht. Es gibt keine Pflicht, eine Immobilie zu nutzen.

Das beste Beispiel dafür befindet sich am Arrenberg, genauer gesagt an der Simonsstraße 45. Als eine von insgesamt 50 Schrott-Immobilien der Stadt, ist das einsturzgefährdete Haus seit 2008 versiegelt, der Bürgersteig davor abgesperrt. Für Stephan Frischemeier, engagierter Arrenberger Unternehmer und Eigentümer des gegenüber liegenden "Café Simonz", ein täglich zermürbender Anblick. "Mit dem Kauf eines Hauses übernimmt man auch Verantwortung für einen Stadtteil. Man muss doch einen Hebel haben, hier einzugreifen", ärgert er sich. Ein Kunsthaus würde er gerne daraus machen, es persönlich umsetzen. Doch der Besitzer lebt nicht hier und kümmert sich nicht weiter. "Wenn Sie ein Haus unerlaubt blau streichen, bekommen Sie umgehend ein Schreiben. Wenn Sie ein Haus verfallen lassen, geschieht nichts", sagt er fassungslos.

Einer, der sich mit solchen Problem-Immobilien beschäftigt, ist Andreas Mucke von der Wuppertaler Quartierentwicklungs GmbH und ebenfalls in der AG Schrott-Immobilien. "Den Besitzern, die etwas an der Misere ändern wollen, kann man helfen, sie unterstützen. Anderen muss man richtig auf den Keks gehen, bis sie was tun", sagt er. Wichtig sei, dass jetzt etwas passiere. Er plädiert dafür, dass die Stadt einen Fonds einrichtet, aus dem sie sich bedienen kann, um Häuser aufzukaufen, instand zu setzen oder abzureißen. "Es gibt Wege, wie man gegen diese Probleme vorgehen kann. Man muss sie aber auch gehen. Das hat auch mit Stadtmarketing zu tun."

(Rundschau Verlagsgesellschaft)