VdK-Podiumsdiskussion zum Thema Drepression „Es kann jeden treffen“

Wuppertal · Mehr Aufmerksamkeit für Menschen mit psychischen Erkrankungen und mehr professionelle Hilfsangebote forderten die Teilnehmenden einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Depression kann jeden treffen, Achtung Suizidgefahr!“ Zu diesem Thema hatte der Cronenberger Ortsverband des Sozialverbandes VdK in die „Färberei“ nach Oberbarmen eingeladen.

Der VdK-Kreisverbandsehrenvorsitzende Berthold Gottschalk (links) wählte die Gäste der Podiumsdiskussion aus, Horst Kaldyka (Mitte) vom VdK Cronenberg war Gastgeber des Abends - und Matthias Müller moderierte die Veranstaltung.

Foto: Karl-Heinz Kamiz

„Die Zahl aller Verkehrstoten und Mordopfer ergebt zusammen weniger als die Toten durch Suizide“, so rechnete Dr. Claudia Kociucki, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Depressionsliga, vor. Und sie fragt: „„Wo ist der öffentliche Aufschrei? Wo sind die Talkshows zu diesem Thema? Wir müssen mehr über das Problem sprechen, gerade wenn Depressionen durch das Verhalten anderer Menschen ausgelöst werden.“

„Das dürfen wir nicht einfach hinnehmen“, erklärte der Wuppertaler SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Bialas: „Mobbing, Hetze und Hass treiben einfach viel zu viele Menschen in die Depression.“

Dr. Claudia Kociucki, selbst betroffen und als telefonische Ansprechpartnerin in viele Fälle eingeweiht, gab zu bedenken: „Die Symptome können sehr unterschiedlich sein. Und niemand ist schuld an seiner Krankheit. Es kann jeden treffen.“ Das immer komplexer werdende Leben, ebenso Vereinsamung und ein häufig verzerrtes Bild in den Sozialen Medien könnten schnell zu psychischen Problemen führen. Die Zahlen seien jedoch auch gestiegen, weil sich die Menschen öfter trauen, einen Arzt aufzusuchen.

Allerdings wies Ute Trescher von der Deutschen Depressionsliga darauf hin, dass es in einer akuten Phase einer Depression oft schwierig sei, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Auch die Scham über die Erkrankung spiele dabei eine Rolle.

Andreas Bialas sah zudem die Brutalität in der Kommunikation als Grund für den Anstieg psychischer Erkrankungen. Er forderte stattdessen Solidarität und Zusammenhalt: „Wir dürfen die Entwertung des anderen Menschen nicht zulassen.“ Das stehe schon im deutschen Grundgesetz. Nötig sei es, so der Politiker und frühere Polizeibeamte, gegen kriminelles Handeln vorzugehen, jedoch müsse auch Geld investiert werden: Etwa für Schulsozialarbeit, Beratungsstellen, wissenschaftliche Forschung zu Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten psychischer Erkrankungen.

Martin Lindheimer, Psychiatrie-Referent bei der Diakonie Lippe, berichtete im vorab geführten Einzelinterview mit Moderator Matthias Müller von seinen traumatischen Erfahrungen als Patient in der Psychiatrie, wo er mehrere Tage lang am Bett festgebunden worden sei. Diese Methode sei zwar in Deutschland verboten, „doch meines Wissens hat sich die Situation in der Psychiatrie nicht verbessert“, meinte Lindheimer – und wehrte sich auch gegen die Zwangsverabreichung von Medikamenten.

Dr. Claudia Kociucki dazu: „Niemand kann gezwungen werden, Medikamente zu nehmen. Die Medikation muss immer individuell abgesprochen werden.“ Jeder Mensch reagiere anders. Wirksame Medikamente zu finden, könne aber länger dauern. Doch am Ende sei das Zusammenspiel von Psychopharmaka, Psychotherapie sowie Verhaltensänderungen (beispielsweise Bewegung, frische Luft, gesundes Essen) in der Regel hilfreich. Und es müsse auch für die Angehörigen Angebote geben, da sie schnell überfordert seien.

Nach der über zweistündigen Diskussion waren sich alle Beteiligten sowie das Publikum einig: Notwendig sind mehr Achtsamkeit im Umgang miteinander, aber auch der Ausbau von Hilfsstrukturen, um psychische Erkrankungen zu reduzieren.