Interview zu den anhaltenden Problemen im überlasteten Einwohnermeldeamt "Wir bemühen uns um neue Kräfte"
Wuppertal · Wohl kaum eine Einheit im Rathaus ist so in der Kritik wie das Einwohnermeldeamt. Rundschau-Redaktionsleiter Hendrik Walder fragte den Chef des Amtes, Jochen Siegfried, warum es dort regelmäßig zu chaotischen Zuständen kommt.
Rundschau: Mein Personalausweis läuft im Juli 2017 ab. Sollte ich mich zügig darum bemühen, einen neuen zu beantragen, bevor es zu spät ist?
Siegfried: Bis 2017 ist ja noch etwas Zeit. Doch generell ist es nie verkehrt, sich frühzeitig um solche Angelegenheiten zu kümmern.
Rundschau: Aber ich habe gestern noch probehalber im Internet nach einem Termin gesucht. Es wird momentan überhaupt keiner angeboten.
Siegfried: Moment, ich schaue mal. Doch ich habe einen: Am 24. August um 12.30 Uhr.
Rundschau: Na gut, den überlasse ich jemandem, der ihn vielleicht eiliger braucht. Aber im Ernst: Das ist keine befriedigende Ausgangslage für die Kunden, die Sie gegenwärtig anbieten.
Siegfried: Natürlich nicht. Aber die hat ihre Gründe, und die liegen vor allem in der Personalsituation. Von 46 Planstellen sind gegenwärtig nicht mal die Hälfte besetzt. 13 sind in Urlaub, elf sind krank, teilweise schon seit Monaten.
Rundschau: Und das lässt sich nicht anders steuern?
Siegfried: Wir haben eine Frauenquote von 85 Prozent, viele davon haben schulpflichtige Kinder. Die dürfen nicht länger als zwei Wochen am Stück wegfahren. Darüber hinaus wurde gemeinsam mit meinen Mitarbeitern vereinbart, dass in den Saisonzeiten nur 24 Prozent der Mitarbeiter gleichzeitig Urlaub nehmen. Dies wird nirgendwo sonst in der Verwaltung praktiziert und macht den Beruf nicht gerade attraktiver...
Rundschau: Dann ist das Amt unterbesetzt?
Siegfried: Natürlich, aber wir bemühen uns ja auch intensiv um neue Kräfte. Am 15. Und 16 August sind Auswahlrunden, dies haben wir am Montag entschieden und ich bin sehr froh, dass mit Genehmigung des Oberbürgermeisters nun auch konzernweit und extern ausgeschrieben wird.
Rundschau: Das heißt?
Siegfried: Das heißt, dass wir auch Mitarbeiter von den Stadtwerken oder der Sparkasse anwerben können, wenn sie sich gewinnen lassen.
Rundschau: Obwohl Sie nicht gerade ein Traumjob erwartet?
Siegfried: Zugegeben, im Jobcenter ist die Bezahlung beispielsweise besser. Mit Bundesmitteln hat man da eben andere Möglichkeiten. Aber die Stimmung hier ist trotz allem gut, und niemand hat Langeweile...
Rundschau: Aber woher kommen denn diese langen Schlangen und Wartezeiten?
Siegfried: Das hängt schon mit dem immensen Zuzug zusammen — sowohl was Asylbewerber angeht, als auch die Einreise von EU-Bürgern. In dem Zusammenhang müssen ja auch alle rechtsstaatlichen Auflagen erfüllt werden. Trotz vieler Sprachbarrieren, oft fehlender Unterlagen oder schwieriger Identitätsprüfungen. Da haben wir uns lange Zeit sogar noch achtbar aus der Affäre geschlagen. In Düsseldorf, Dortmund, Essen oder Köln sind die Meldebehörden schon viel früher in die Knie gegangen.
Rundschau: Also liegt es daran, dass die Bearbeitungszeiten wegen des damit verbundenen Aufwandes so angestiegen sind?
Siegfried: Ja, auch. Aber Sie müssen sich auch die Fallzahlen ansehen: 2010 hatten wir mit 39 Mitarbeitern 106.000 Dokumente, Führungszeugnisse und Meldungen zu bewältigen, 2015 mit 43 Mitarbeitern 197.000 Fälle. Und das mit den veränderten Arbeitsprozessen.
Rundschau: Kann man denn diesem Ansturm nicht mit vermehrtem Technik-Einsatz begegnen?
Siegfried: Ein wenig schon. Es gibt Automaten und Selbstbedienungsschalter, die sowohl das Foto, als auch die Unterschrift und den digitalen Fingerabdruck erstellen. Wir würden davon gerne sechs oder sieben einsetzen, das ist aber aus räumlichen Gründen nicht möglich.
Rundschau: Dann muss das Amt woanders unterkommen.
Siegfried: Ja, erste Planungen dazu gibt es, da ist ja auch die Zusammenlegung mit dem Straßenverkehrsamt eine Überlegung...
Rundschau: ... aber das hilft momentan nicht weiter. Da nutzt nur eine bessere Personalausstattung. Warum ziehen Sie nicht einfach qualifizierte Kräfte aus den Bürgerbüros hinzu?
Siegfried: Das ist eine weit verbreitete Mär, das dort ausgebildetes Personal vorrätig sei. Die Lage ist aber genau umgekehrt. Wir geben regelmäßig unsere Mitarbeiter in die Stadtteilbüros ab, damit sie dort ihren Dienst vor Ort verrichten.
Rundschau: Folglich müssen Sie neue Kräfte selbst ausbilden?
Siegfried: Ja, das braucht jedoch eine gewisse Zeit. Vier bis fünf Monate sind das Minimum, bei manchen dauert es auch deutlich länger.
Rundschau: Haben Sie denn einen Tipp für Bürger, die aktuell zum Einwohnermeldeamt kommen wollen oder müssen?
Siegfried: An unserer Info-Theke bekommt jeder den Hinweis, dass er nicht vor Ort im Lärm und der stickigen Luft warten muss. Die aufgerufenen Nummern lassen sich prima am Smartphone verfolgen. Jeder, der eine Wartemarke hat, wird bedient, selbst wenn er ein paar Minuten später mit der Marke zurückkommt.