Ev. Kirchenkreis Wuppertal Haude: „Wir brauchen religiöse Bildung für alle“
Wuppertal · Die Schulen stecken in der Krise – und mit ihnen der Religionsunterricht. Das neue konfessionell-kooperative Modell hilft nicht wesentlich weiter, meint Schulreferentin Beate Haude von Ev. Kirchenkreis Wuppertal.
Frau Haude, in diesem Jahr soll der Religionsunterricht auch in Wuppertal eine neue Perspektive erhalten: Die rheinische Kirche und das Erzbistum Köln ermöglichen den „Konfessionell-Kooperativen Religionsunterricht“, kurz KokoRu. Was steckt dahinter?
Haude: „Mit der Konstruktion von KoKoRu hofft man, trotz sinkender Schülerinnen- und Schülerzahlen einen ,konfessionellen‘ Religionsunterricht anbieten zu können, also weder Ethik, noch Religionskunde als scheinbar neutrale Fächer. Es soll gewährleisten, dass ein Religionsunterricht auch dann blütenrein konfessionell ist, wenn eine z.B. evangelische Kollegin eine konfessionell gemischte Gruppe im Klassenverband unterrichtet. Das Zauberwort heißt dann ,Positionalität‘ – man soll erkennen können, welche Position jemand hat und gerade an den Unterschieden zur anderen Konfession lernen können. „
In weiten Teilen NRWs gibt es diesen kooperativen Religionsunterricht schon seit 2018. Freuen Sie sich, dass er nun endlich auch in Wuppertal möglich ist?
Haude: „Zunächst einmal sind Schritte in Richtung Ökumene aus meiner Sicht immer erfreulich, denn Konflikte zwischen Evangelisch und Katholisch sind in Schulen schon lange nicht mehr normal. Normal ist, dass evangelische und katholische Kolleginnen und Kollegen sich verständigen, unterstützen und zusammenarbeiten. Auch in der Schülerschaft laufen keine Konfliktlinien mehr zwischen den beiden christlichen Konfessionen.
In diesem Sinne kommt der konfessionell-kooperative Religionsunterricht eigentlich zu spät. Vor 20 Jahren wäre er noch eine Herausforderung gewesen, eine Novität, heute weckt er in Schulen eher ein Stirnrunzeln darüber, dass man die allseits normale Zusammenarbeit nun gegen Konzepte und kontrollierte Wechselaktionen tauschen soll.“
An Wuppertals Schulen gibt es sehr viele muslimische Schülerinnen und Schüler. Müssten die bei einer Reform des Religionsunterrichts nicht mitgedacht werden?
Haude: „Ja. Die Frage muss heute sein, wie religiöse Bildung ganz allgemein in den Schulen vorkommen kann. Wegen des inzwischen krassen Fachlehrermangels nach Corona sähe man in den Schulen heute ein weitreichenderes Modell von Religionsunterricht gern. Denn die wirklich aktuellen Fragen sind mit KoKoRu nicht beantwortet: Wie werden Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft pluralitätsfähiger? Wie kommen muslimische Schülerinnen und Schüler an ihre religiöse Bildung, wenn man diese nicht den Moscheen allein überlassen will? Wie gelingt es, konfessionslose Schülerinnen und Schüler die großen Fragen zwischen Himmel und Erde reflektieren zu lassen?“
Der Religionsunterricht steht seit Jahren in der Diskussion. Es gibt Bundesländer, da ist er bereits abgeschafft. Was verlieren Schulen Ihrer Ansicht nach, wenn sie ihn nicht mehr anbieten?
Haude: „Ich bin absolut davon überzeugt, dass Kinder und Jugendliche religiöse Sprachfähigkeit und Bildung brauchen. Dass ihnen beides zusteht. Aber dies betrifft alle Kinder, nicht nur die evangelischen und katholischen. An der Frage, wie die religiöse Bildung auch in Zukunft gelingen kann, müssen wir dranbleiben. Ich persönlich kann mir verschiedene Modell denken.“
Wichtiger als meine Meinung dazu ist die Wachheit bei Kirchen und Staat, sich mit diesem immens wichtigen Schulfach auseinanderzusetzen. Ohne Religionsunterricht verarmt die Schule um wichtige Themen. Die Quadratur des Kreises muss gefunden werden, Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler in dem Unterricht in ihrer Vielfalt und Subjektivität vorkommen zu lassen und dennoch einem Bildungsanspruch zu genügen, etwa durch die Diskussion Heiliger Schriften.
Wenn nur der Staat allein sagt, was in der Bildung richtig ist, kann Unschönes dabei herauskommen. Das hat die Barmer Erklärung, die die Evangelische Kirche 1934 verfasste, richtig erkannt. Genauso schlimm ist es, wenn vor allem Wirtschaftsinteressen die Geschicke unsrer politischen Landschaft leiten. Die ganz aus dem Blick geratene Transzendenz einer Religion ist als Gegenüber des Staates und seiner Interessen wertvoll.“
Was für einen Religionsunterricht wünschen Sie sich?
Haude: „Wenn ich mir den Religionsunterricht selbst backen dürfte, dann sähe der so aus: Religionsgruppen haben höchstens 16 Schülerinnen und Schüler. Sie werden von einer Lehrkraft unterrichtet, die eine evangelische, katholische, jüdische oder islamische Unterrichtserlaubnis hat. Die Lehrkräfte sollen sich alle ein, zwei Jahre abwechseln. Sie verpflichten sich zur eigenen Fortbildung.
Es gibt einen eigenen Lehrplan für den Religionsunterricht. Er hat zwei Säulen: Erstens: die großen Heiligen Schriften zu reflektieren (also Hebräische Bibel, Bibel, Koran und eventuell andere, je nach Bevölkerungsentwicklung), Zweitens: Die existenziellen und alltäglichen Fragen der Schülerinnen und Schüler zum Ausgangspunkt des Unterrichts zu machen. Von so einem Unterricht verspreche ich mir Bildung und Lebendigkeit. Man wird aneinander lernen und Fremdes verstehen lernen.“