Prozess vor dem Amtsgericht Prügelattacke: „Ich wollte, dass er bestraft wird“
Wuppertal / Gevelsberg · In der Nacht zum Heiligabend 2017 wurde der Wuppertaler Gastronom Frank Eisenbach Opfer einer brutalen Prügelattacke. Der Täter, ein 53-jähriger Gevelsberger, wurde nun vom Wuppertaler Amtsgericht wegen Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt. Dessen Anwalt hatte zuvor auf Notwehr plädiert und einen Freispruch gefordert – die Verteidigungsstrategie geriet zu einer Gerichtsposse.
Die Richterin, der Staatsanwalt und der Nebenklageanwalt: Sie alle waren sichtlich entsetzt über einen Angeklagten, der sich über drei Verhandlungstage hinweg zum Opfer stilisieren wollte. Nicht weniger irritiert hat die Prozessbeteiligten das Auftreten eines Verteidigers, der sich von seinem Mandanten vor den sprichwörtlichen Karren habe spannen lassen. Der Angeklagte und auch dessen Anwalt - beide mussten sich von Amtsrichterin Annette Spormann am Ende eines denkwürdigen Prozesses anhören: „Sie haben sich völlig verrannt. Anders lässt sich nicht erklären, was hier passiert ist.“ Der Staatsanwalt sprach von Nebelkerzen, die von der Verteidigerbank aus gezündet wurden. Für den Anwalt des Opfers ist der Angeklagte eine „eiskalte Killermaschine“ ohne jegliche Empathie und dazu noch unfähig zur Selbstkritik.
Wer so etwas gesagt bekommt, sollte nachdenklich werden. Nicht so der Angeklagte, der auch das „letzte Wort“ verstreichen ließ, um das Ruder noch herumzureißen. Dass er nun zu drei Jahren Haft wegen Körperverletzung verurteilt wurde? Möglicherweise hält der 53-jährige Gevelsberger das auch nach der Urteilsverkündung noch für ein großes Missverständnis. Sein Anwalt hatte zuvor wegen vermeintlicher Notwehr auf Freispruch plädiert, und so sah es der Angeklagte wohl auch selbst. Beide dürften das noch nicht rechtskräftige Urteil für etwas halten, womit sie nicht einverstanden sein können - und möglicherweise im Berufungsverfahren eine andere Kammer von ihrer Sicht der Dinge überzeugen wollen.
Zuvor hatten weder der Angeklagte und vor allem auch dessen Anwalt wenig ausgelassen, um das Opfer zum Täter zu machen. Und nicht nur das: Der Gastronom Frank Eisenbach wurde vom Anwalt des Angeklagten im Gerichtssaal bloßzustellen versucht. Dass Eisenbach nach der Tat am 23. Dezember 2017 ans Bett fixiert auf der Intensivstation gelegen hatte, nahm die Verteidigung zum Anlass, ihm Entzugserscheinungen wegen angeblichen Drogenkonsums oder übermäßigen Alkoholkonsums anzudichten. Nichts dergleichen ist erwiesen – im Gegenteil, das Torkeln des durch den angeklagten Kickboxer schwer Verletzten schien der Verteidigung für derartige Unterstellungen genügt zu haben. Dass sich Frank Eisenbach an die Party und seinen Aufenthalt auf der Intensivstation nicht erinnert, wurde als bewusstes Vortäuschen von Erinnerungslücken interpretiert. Dass er Monate später in seinem Restaurant gestanden haben soll bei dem Versuch, wieder Normalität in sein Leben zu bringen: Das sei ein Beweis dafür, dass er Verletzungsfolgen nur vortäusche, um Schmerzensgeld herauszuschlagen. Es konnte einem wahrlich schwindelig werden bei dieser Verteidigungsstrategie, die den Bock zum Gärtner und das Opfer zum Täter machen wollte. Und die nicht davor zurückschreckte, den Gastronomen öffentlich bloßzustellen – ungeachtet dessen, was ihm ohnehin schon widerfahren ist.
Und ja, dann soll es aus Sicht der Verteidigung auch noch ein Video vom Tatgeschehen geben. Das angeblich eine ganze Stadt davon gesprochen haben soll, genügte dem Angeklagten und dessen Anwalt, um dem Gericht und der Staatsanwaltschaft eine bewusste Unterschlagung von Beweismaterial vorzuwerfen. Dabei hatte man den Besitzer des Restaurants, an dessen Hauswand sich angeblich besagte Videokamera befunden haben soll, in den Zeugenstand geladen. Der Mann war zum Tatzeitpunkt im Urlaub, die Gaststätte geschlossen. Aber viel entscheidender ist: Seit beinahe 20 Jahren betreibt der Zeuge seinen Laden, eine Videokamera hat es dort nie gegeben.
Einige derjenigen im Umfeld des Opfers, die mittels „stiller Post“ vom Video gehört, aber es nicht gesehen hatten, wurden von der Verteidigung zur Aussage unter Eid gezwungen. Wer so etwas von Zeugen verlangt, stellt den unausgesprochenen Vorwurf der Falschaussage in den Raum. Aus Sicht des Angeklagten und dessen Verteidigers müssen auch sämtliche vom Gericht geladenen Ärzte gelogen haben. Als sachverständige Gutachter gehört, hatten sie die Erinnerungslücken des Opfers als logische Folge der schweren Verletzungen bestätigt.
Was ist mit den drei unbeteiligten Zeugen, die weder Opfer noch Täter zuvor kannten? Die hatten gesehen und ausgesagt, dass der Angeklagte solange weiter auf den hilflos taumelnden Party-Veranstalter einschlug, bis der mit einem offenen Schädelbruch und aus dem Ohr blutend bewusstlos am Boden lag. Glaubt man dem Verteidiger des Angeklagten, so seien dessen Schläge allenfalls ein Notwehr-Exzess gewesen.
Und Frank Eisenbach? Der Gastronom ist von den irreversiblen Folgen seiner schweren Verletzungen dauerhaft gezeichnet. Er kann nur noch auf einem Ohr hören – dazu hat er seit dem Gewaltausbruch des ihm bis dahin unbekannten Gevelsbergers seinen Geschmackssinn und auch den Geruchssinn verloren. „Er ist nicht mehr der, der er mal war – sondern ein Schatten seiner selbst“, war dazu im Plädoyer des Staatsanwalts zu hören.
Bemerkenswert auch dessen Einschätzung des angeblichen Satzes, den Eisenbach damals bei der Party zur Lebensgefährtin des Angeklagten gesagt haben soll – und der zur darauffolgenden Prügelei vor der Kneipe am Heckweiher geführt haben soll. Selbst mit mehr als einem Promille volltrunken, soll sich die Frau mit dessen angeblicher Frage danach, ob sie Lust auf Sex habe, belästigt gefühlt haben. „Wir unterhalten uns hier über eine Party und nicht über ein Philosophen-Treffen“, war dazu vom Staatsanwalt zu hören. Einer gestandenen Frau sollte man zudem zugestehen, sich einer solchen Situation mit einem klaren „Nein“ entziehen zu können. Derweilen soll die Frau dem nun angeklagten Lebensgefährten davon erzählt haben – und das Unheil nahm seinen Lauf.
Frank Eisenbach selbst ist nun erst mal froh, dass der Prozess beim Amtsgericht zu Ende ist. „Ich wollte, dass er bestraft wird“, sagt er über den Angeklagten – wohl wissend, dass in dieser Sache vermutlich noch nicht das letzte Wort gesprochen sein wird. Was ihm viel mehr zu schaffen macht: Wenige Tage nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus starb im Februar 2018 sein Vater, im vergangenen Dezember dann auch noch seine Mutter. „Ich hatte bislang keine Zeit zu trauern“, hofft er darauf, nun endlich zur Ruhe kommen zu können.
Derweil läuft es für ihn im „Haus Eisenbach“ weiter - mit Unterstützung seiner Tochter und derjenigen, die nun für ihn abschmecken müssen. Der Großvater habe das Haus gekauft, der Vater führte es weiter – und er will jetzt unbedingt weitermachen, auch für seine Kinder.