Interview zur Aktion "Stadtradeln" "Jeder Kilometer ist ein Symbol“
Wuppertal · Zum ersten Mal hat sich Wuppertal an der Aktion "Stadradeln" beteiligt. 167 Teams haben drei Wochen versucht, auf das Auto zu verzichten und Radkilometer für ein besseres Klima zu erstrampeln. Strahlender Leuchtturm oder heiße Luft?
Redakteurin Nina Bossy sprach mit der Organisatorin Susanne Varnhorst und Verkehrsdezernent Frank Meyer.
Rundschau: Frau Varnhorst, 268.786 Kilometern sind die Wuppertaler Teams gemeinsam geradelt. Was bleibt?
Susanne Varnhorst: Ein stolzes Gefühl auf alle Wuppertaler, die dabei waren. Besonders toll finde ich, wenn Familien oder Menschen, die sich sonst sehr auf das Auto angewiesen fühlen, in den drei Wochen umgestiegen sind. Da zählt wirklich jeder Kilometer, jeder geradelte Weg zum Supermarkt.
Frank Meyer: Das Stadtradeln und die vielen, so unterschiedlichen Teams waren ein starkes Symbol. Die Wuppertaler haben gezeigt, wir sind mobil und Fahrradfahren ist ein Stück zukunftsweisende Mobilität, auch in Wuppertal.
Rundschau: Die Fahrrad-Zukunft ist in Wuppertal datiert. 2025 soll Wuppertal Fahrradstadt sein. Herr Meyer, sind also in sieben Jahren alle Hauptverkehrsadern umgerüstet?
Meyer: Nein, das ist nicht machbar. Im städtischen Haushalt sind derzeit 100.000 Euro jährlich für den Radverkehr eingeplant. Das ist zwar eine Menge Geld, aber davon kann ich nicht die ganze Stadt umrüsten. Aber wir denken zumindest Teilabschnitte neu. Auch fehlt in Teilen der Platz: Der historische Teil der B7 kann nicht umgebaut und der Autoverkehr nicht wegdiskutiert werden, aber es gibt parallele Verbindungsstücke, die wir einem "Talradweg" widmen und ausbauen möchten. Das ist übrigens komplizierter als man zunächst annimmt. Da geht es zum Beispiel um die Breite von Gehwegen, Straßen, Busspuren, um Ampelsteuerungen, vor allem aber um Sicherheit. Jede Stelle muss für sich analysiert und jeder Einzelfall geprüft werden.
Rundschau: Die Fahrrad-Community nennt seit längerer Zeit ganz konkrete Stellen, ein Stichwort ist die Busspur an der Gathe.
Meyer: Die Busspur an der Gathe ist eine der Stellen, wo wir gerade prüfen, ob eine Mitbenutzung durch Radfahrende möglich ist. Darüber haben wir auch im vergangenen Verkehrsausschuss berichtet.
Rundschau: Auch heiß diskutiert: ein autofreies Luisenviertel. Die Idee war auf Platz 3 des Bürgerbudgets, dann wurde sie gestrichen.
Meyer: Leider haben wir damals Fehler im Projekt Bürgerbudget gemacht. Diese Idee hätte so gar nicht zur Abstimmung kommen dürfen, weil erforderliche Beteiligungen zum Beispiel der zuständigen Bezirksvertretung unterblieben sind. Übrigens haben wir vor kurzem eine Bürgerveranstaltung zu dem Thema gemacht, bei der sich gezeigt hat, dass sich vor allem diejenigen Menschen ein autofreies Luisenviertel wünschen, die nicht vor Ort leben, sondern dort feiern und ausgehen möchten. Für die Anwohner und den Einzelhandel hingegen ist es wichtig, mit dem Auto erreichbar zu sein. Und das müssen wir ernst nehmen. Und genau deshalb sehe ich kein autofreies Luisenviertel, was jedoch nicht ausschließt, dass der Verkehr dort weiter beruhigt werden kann.
Rundschau: Sie haben eben gesagt, für die Vision einer Fahrradstadt bräuchte man das Geld für Planer, die 100.000 Euro reichen nicht aus. Wird's also nichts mit der großen Vision von 2025?
Meyer: Ja, das Geld ist knapp, Wuppertal ist Stärkungspaktkommune und hat bekanntlich große finanzielle Probleme. Aber gerade in Sachen Radverkehr haben wir in den vergangenen Jahren viel geschafft und das werden wir in den nächsten Jahren weiter entwickeln. Nicht alles auf einmal, dafür Stück für Stück, Kreuzung für Kreuzung. Aber schon heute hat Fahrradfahren in Wuppertal einen völlig anderen Stellenwert als noch vor sieben, acht Jahren.
Rundschau: Die Stadtradler haben ganz konkret sehr viel hinterlassen. Auf der Homepage der Aktion finden sich unter dem Link 'RADar' an die Hundert Hinweise, wo zum Beispiel das Grün am Straßenrand stört oder der Übergang gefährlich ist. Was passiert mit diesen Hinweisen?
Varnhorst: Jeder Hinweis wird gelesen und bearbeitet und gegebenenfalls im Radverkehrskonzept, welches wir gerade aufsetzen, berücksichtigt.
Meyer: Und dann wird geschaut, ob es ein temporäres, leicht behebbares Problem ist oder etwas strukturell verändert werden muss.
Rundschau: Frau Varnhorst, Sie selbst pendeln oft mit dem Rad von Elberfeld ins Barmer Rathaus. Was hat Sie als Insider während des Stadtradelns am meisten beeindruckt?
Varnhorst: Am schönsten fand ich das tolle Programm, dass die Rad-Mobilität mit ganz anderen Themen verknüpft hat. Wir haben zum Beispiel eine Radtour zur GEPA unternommen und dabei viel über fairen Handel und die Industriegeschichte gelernt. Da ist ein tolles Miteinander entstanden und ein neue, sehr positive Perspektive auf unser Wuppertal.