Prozess gegen Versicherungsmakler "Nach Strich und Faden ausgenommen"
Wuppertal · Der Aufschlag vor der versammelten Medienszene war spektakulär: Eine regelrechte Gardinenpredigt erteilte der Vorsitzende Richter einem stadtbekannten Versicherungsmakler, dem schwerer Betrug vorgeworfen wurde.
Danach war über ein Jahr Ruhe. Nun wurde der 55-Jährige ohne großes Aufsehen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Der in der Wuppertaler Fußball- und Partyszene bekannte Versicherungsmakler hatte die Vermögensvollmacht eines gesundheitlich schwer angeschlagenen Opfers missbraucht und 80.000 Euro veruntreut. Konkret hatte sich der Angeklagte das Grundstück des Mannes angeeignet, aber nur zum Teil bezahlt. In einem anderen Fall hatte er, ebenfalls mit einer Vermögensvollmacht ausgestattet, 20.000 Euro veruntreut. Dieses Opfer ist zwischenzeitlich verstorben.
Der Vorsitzende Richter Werner Sdunzik hatte sich beim Prozessauftakt im Juni 2017 auf Ermittlungsergebnisse bezogen und damals erklärt: "Man bekommt den Eindruck, als hätten Sie sich absichtlich an todkranke Personen herangemacht und sie nach Strich und Faden ausgenommen — bis zum letzten Hemd." Anschließend hatte er die Sitzung abgebrochen und dem Angeklagten geraten, sein Verhalten im Prozess zu überdenken.
Der nutzte offensichtlich das Angebot und legte ein Geständnis ab, was jetzt zu einer möglicherweise milderen Bestrafung führte. Jedenfalls wurde er am Mittwoch zu einem Jahr und elf Monaten Gefängnis verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung. Damit brauchte der Geschädigte nicht vor Gericht aufzutreten. Den Termin für die Verhandlung hatte das Gericht auf 8 Uhr morgens angesetzt — eine volle Stunde, bevor die Besucher für die anderen Sitzungen ins Justizzentrum kamen.
Der 55-Jährige kann das Urteil noch angreifen. Wird es rechtskräftig, muss er 150 Stunden gemeinnützig arbeiten, um in Freiheit zu bleiben. Nach Angaben des Gerichts hat der Angeklagte jedoch zwischenzeitlich erste Beträge zurückgezahlt und will den entstandenen Schaden weiter begleichen.