Rundschau: Sommer, Sonne, 30 Grad. Wie kann man die Grenze zwischen schönem Augustwetter und gefährlicher Hitze ausmachen?
Geschäftsführer der Station Mittlere Wupper Dr. Jan Boomers: „Es ist vor allem viel zu trocken“
Wuppertal · Der August war in Wuppertal vor allem heiß und trocken. Was das mit unserer Natur macht, weiß Dr. Jan Boomers. Er ist Geschäftsführer der Station Mittlere Wupper, die sich für den Erhalt der Biologischen Vielfalt im Bergischen Städtedreieck einsetzt. Rundschau-Redakteurin Nina Bossy spricht mit ihm über eine brandgefährliche Hitzewelle.
Boomers: „Das subjektiv menschliche Empfinden von ,schönem‘ Wetter mit viel Sonne und Freibadtemperaturen deckt sich leider nicht immer mit den Wünschen der Natur nach ausreichender Wasserversorgung und entsprechender Abkühlung. Aber es besteht sicher kein Streit darüber, wenn man Tage mit Temperaturen von deutlich über 30 Grad und geringer nächtlicher Abkühlung als Hitzewelle bezeichnet.“
Rundschau: Woran erkennen wir in unserer eigenen Umgebung, dass dieser August zu heiß ist?
Boomers: „Er ist heiß, aber vor allem viel zu trocken. Das kann man beim täglichen Spaziergang durch Parks und Alleen beobachten. Zahlreiche Bäume werfen bereits im August zur Verringerung der Wasserverdunstung ihr Laub ab.“
Rundschau: Die Natur ächzt unter der Trockenheit. Welche Pflanzenart ist in unserer Region der größte Dürreverlierer?
Boomers: „Da gibt es viele Arten. Am prominentesten ist aber sicher die Fichte, die bereits in den Dürrejahren 2018 bis 2020 großflächig in unseren Wäldern abgestorben ist. Sie hat durch den Klimawandel keine Zukunft mehr in unserer Region.“
Rundschau: Welcher Tierart macht der heiße Sommer zu schaffen?
Boomers: „Insbesondere auf hohe Feuchtigkeit angewiesene Tierarten haben große Probleme mit der Hitze des Sommers. An erster Stelle sind hier unsere heimischen Frösche, Kröten und Molche zu nennen. Durch Hitze und Dürre trocknet nicht nur ihre sensible Haut aus, sondern auch ihre Reproduktionsgewässer bevor die Jungtiere ihre Metamorphose abgeschlossen haben und als Landtiere überleben können.“
Rundschau: Gibt es auch Gewinner der klimatischen Veränderungen?
Boomers: Keine Frage, es gibt auch Gewinner. Der ursprünglich aus dem Mittelmeer einfliegende Admiral – ein Schmetterling – überwintert infolge der milden Winter mittlerweile bei uns und ist ganzjährig hier zuhause. Zu den Klimagewinnern der Pflanzenwelt zählt die Stechpalme, die sich aufgrund der milden Winter schon seit einigen Jahren mehr und mehr in den bergischen Wäldern ausbreitet. Da es Klimaverlierer und Klimagewinner gibt, ist also damit zu rechnen, dass sich unsere heimische Artenzusammensetzung in der Zukunft spürbar verändern wird.“
Rundschau: Wuppertal ist grün. Und viel Grün gehört auch Privatbesitzern. Was können Menschen mit eigenem Garten tun, um Flora und Fauna durch die heißen Tage zu helfen?
Boomers: „Wichtig sind Wasserangebote für Säugetiere, Vögel und Insekten. Hier helfen regelmäßig gefüllte Wasserschalen. Für Vögel gibt es diese auch zum Aufhängen, damit Katzen sie nicht beim Trinken stören. Für Pflanzen gilt aktuell: Den Rasen oder die Hecke einfach mal wachsen lassen und sie nicht mähen oder schneiden. Eine Mahd verursacht unzählige Schnittwunden an den Halmen oder Ästen, die zur verstärkten Austrocknung und dem Absterben der Pflanzen führen. Der Rasen ist dann zwar kurz - aber gleichzeitig auch braun.“
Rundschau: Was würden Sie sich von lokalen politischen Entscheidungsträgern wünschen?
Boomers: „Die Erkenntnis, dass das Leben in der durch den Klimawandel überhitzten Stadt besonders durch naturbasierte Lösungsansätze erträglicher wird. Mehr Dachbegrünung, Bäume und Gewässer tragen zu verbesserter Abkühlung in der Stadt bei.“
Rundschau: In Brandenburg breiten sich immer mehr Waldbrände aus. Könnte dieses Szenario auch der bergischen Region drohen?
Boomers: „Die Verhältnisse in Brandenburg sind nicht mit den Bedingungen im Bergischen Land zu vergleichen. Der Jahresniederschlag in Brandenburg liegt bei unter 600 Millimeter pro Quadratmeter, wohingegen im Bergischen Land nicht selten doppelt so viel vom Himmel fällt. Auch haben wir hier nicht großflächige, stangenartige Kiefernwälder mit hoher Brandempfindlichkeit. Dennoch haben auch bei uns in den vergangenen Jahren Waldbrände zugenommen und es ist zu befürchten, dass sich diese Tendenz fortsetzt. Hier sollte durch angepasste Waldentwicklung und Feuerschutzmaßnahmen Vorsorge getroffen werden.“
Rundschau: Apropos Wald: Worauf müssen Spaziergänger derzeit achten?
Boomers: „Da gilt der Klassiker: Kein Feuer im Wald! Also weder rauchen, grillen oder offenes Feuer. Denn das ist im wahrsten Sinne brandgefährlich.“
Rundschau: Nach der Trockenheit kommt der Starkregen. Warum schaffen es diese Wetterphänomene nicht, sich gegenseitig auszugleichen?
Boomers: „Nach langen Dürrephasen ist der Boden nicht selten knochenhart. Der herabfallende Starkregen kann dann nicht unmittelbar vom Boden aufgenommen werden, sondern rauscht einfach über die Fläche hinweg in den nächsten Entwässerungsgraben – und weg ist das Wasser. Maßnahmen zur verbesserten Gewässerrückhaltung und zur verbesserten Versickerungsfähigkeit sind daher eine wichtige Zukunftsaufgabe.“
Rundschau: Was macht Ihnen am meisten Sorge?
Boomers: „Die nicht prognostizierte Geschwindigkeit des Klimawandels, die zahlreichen Tieren und Pflanzen nicht die Zeit zur Anpassung lässt. Und damit verbunden die mangelnde Geschwindigkeit des Menschen bei der Einleitung von Klimaschutzmaßnahmen.“
Rundschau: Sie kennen die Bergische Natur sehr genau. Wo kann man in diesen Tagen ein schönes kühles Plätzchen finden?
Boomers: Am besten lässt es sich in heimischen Wälder aushalten. Wenn man eine solche Wanderung dann noch unter dem Kronendach entlang einer Talsperre wie der Eschbachtalsperre in Remscheid oder der Neyetalsperre bei Wipperfürth durchführt, lässt sich die Hitze besser ertragen – und das nächste Ausflugslokal mit einem kühlen Getränk ist dann ja auch meist in Sicht.“