Wuppertaler Nordbahntrasse Ein Baum voller Erinnerungen
Wuppertal · Auf der Radtour anhalten und eine Trauerkarte in den Baum hängen: Wuppertals erster öffentlicher Trauerort an der Nordbahntrasse wird im Sommer viel besucht.
Die Stele mit den Holzkarten und Bleistiften ist wieder leer. Ein Blick in die Baumgruppe zeigt Katharina Ruth, dass der erste öffentliche Trauerort Wuppertals am Wochenende viel Besuch bekommen hat. „Erst am Donnerstag haben wir einen Satz neuer Holzkarten hergebracht“, sagt die Leiterin des Hospizdienstes Pusteblume der Diakonischen Altenhilfe erstaunt, während sie neue Karten in die Stele legt. „Ich hätte nicht gedacht, dass der Trauerort so gut angenommen wird.“
Gemeinsam mit den anderen drei ambulanten Hospizdiensten in Wuppertal hat Katharina Ruth den ersten öffentlichen Trauerort außerhalb der Friedhöfe initiiert. Wo früher Züge fuhren und heute Radfahrerinnen und Radfahrer sowie Joggerinnen und Jogger ihre Runden drehen, ist vor knapp einem Jahr ein Platz zum Innehalten, Erinnern und Trauern entstanden.
Tanze weiter im Himmel
Am still gelegten Loher Bahnhof an der Nordbahntrasse stehen auf einem Grünstreifen von rund hundert Quadratmetern Stelen aus Stahl, kleine Sitzgruppen und eine Baumgruppe, die von einem schwarz-weißen Netz umspannt ist und voller Trauerkarten hängt.
„Tanze weiter im Himmel und in unserem Herzen“, „Jetzt bist du an einem Ort, wo du keine Schmerzen mehr hast“, „Das Leben endet, die Liebe nicht“: Tröstende Worte von Trauernden hinterlassen für andere Menschen, die trauern. Sie sind nicht nur auf Deutsch, sondern in vielen anderen Sprachen verfasst, was zeigt, wie multikulturell Wuppertal ist.
Kinder schreiben ihren Großeltern
Auch viele Karten von Kindern sind dabei, die Engel gemalt haben oder ihren Großeltern schreiben, dass sie sie vermissen und häufig an sie denken. Über die Karten der Kinder freut sich Katharina Ruth besonders.
„Wir beobachten häufiger, dass Eltern mit ihren Kindern Karten aufhängen und dabei die vielen Fragen beantworten, die Kinder haben“, erzählt sie. „Das ist gut so, denn Kinder gehen anders mit Trauer um. Sie sind neugierig und wollen viel über den Tod wissen, werden dabei aber oft von Erwachsenen zurückgehalten.“
Ins Gespräch kommen, Verbundenheit empfinden mit all den anderen trauernden Menschen, die hier schon waren und sind – das war den Hospizdiensten wichtig, als sie den öffentlichen Trauerort planten. Er sollte das Tabuthema Tod und Trauer in den öffentlichen Raum bringen, raus aus Friedhöfen, Krankenhäusern und Altenheimen mitten ins Leben, wo Bewegung und Begegnung stattfindet. Das sei gelungen, meint die Hospizdienstleiterin.
Trauer: Nicht an Ort und Zeit gebunden
„Eigentlich ist das Thema in der Öffentlichkeit eher im Herbst präsent. Aber jetzt im Sommer sehen wir, dass Trauer nicht an bestimmte Orte und Zeiten gebunden ist.“ In den Sommerferien sind mehr Menschen mit Rädern, Inlinern oder auch zu Fuß auf der Trasse unterwegs. Sie nutzen den Trauerort für eine Pause, schauen sich interessiert die vielen Karten an und schreiben dann selbst nieder, was ihnen auf der Seele liegt.
Trostsprüche bekannter Persönlichkeiten oder Bibelzitate, die viele Gedenkorte zieren, gibt es hier nicht. Bewusst sei darauf verzichtet worden, um Raum für eigene Gedanken zu schaffen, erklärt Katharina Ruth. Nur ein Zitat aus Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“ ist an einer Sitzgruppe angebracht: „Lange saßen sie da und hatten es schwer. Doch sie hatten es gemeinsam schwer und das war ein Trost. Leicht war es trotzdem nicht.“
Trauerbänke zum Schweigen und Reden
Mit diesem Spruch soll zum Gespräch eingeladen werden. Dafür sitzen jeden Donnerstag ab 14 Uhr ehrenamtliche Hospizmitarbeitende auf der Trauerbank. Sie hören zu, wenn Menschen über ihre Trauer reden möchten, informieren über die Angebote für trauernde Menschen in Wuppertal und ermutigen zum Beschriften der Karten.
„Für viele Menschen ist es ein hilfreiches Ritual, wenn sie schriftlich in Worte fassen, warum sie trauern“, erklärt Katharina Ruth. „Das kann übrigens auch der Abschied von Träumen, Berufswünschen oder Freundschaften sein.“ Denn: „Abschiede sind oft mit Trauer verbunden. Aber sie gehören zu jedem Leben.“