"Die Sorge ist sehr groß"

Wuppertal · Enno Schaarwächter schlägt Alarm: Wenn sich nichts ändert, haben die Wuppertaler Bühnen Ende der Spielzeit 2019/20 kein Geld mehr für einen gleichbleibenden Spielbetrieb. Mehr sparen kann man nicht, mehr Geld will die Stadt nicht locker machen.

Das leere Schauspielhaus als Symbol: Man hat die Bühnen so weit heruntergespart, bis die ausgemergelte Hülle nichts mehr hergibt. Jetzt geht’s für die Stadt einmal mehr darum, ob sie sich einen Drei-Sparten-Betrieb weiter leisten kann.

Foto: Sebastian Jarych

Ein Dilemma.

"Eigentlich", sagt Enno Schaarwächter, "sollte Geld die Theaterbesucher nicht interessieren. Sie sollten zu uns kommen — und verzaubert sein." Für Wuppertal gilt das schon lange nicht mehr. Das weiß auch der Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen. Seit 2001 sehen sich vor allem Schauspiel und Oper immer wieder mit finanziellen Spardiktaten konfrontiert. Jetzt lieferte Schaarwächter eine weitere Hiobsbotschaft: In fünf Jahren haben die Bühnen kein Geld mehr.

Zu lesen war dies im Geschäftsbericht der Bühnen 2013/14. Unter dem Punkt "Prognosebericht" heißt es dort: "Soweit das künstlerische Budget für die Sparten erhalten bleiben soll, ist unter Berücksichtigung realistischer Tarifsteigerungen davon auszugehen, dass im besten Fall noch bis einschließlich 2018/19 — unter Inanspruchnahme der Rücklage — ein gleichbleibender Spielbetrieb möglich ist."

Im Klartext bedeutet das: Die Stadt, die alleinige Gesellschafterin der Bühnen GmbH ist, hat ihren Betriebskostenzuschuss gedeckelt. Tariferhöhungen, also der Anstieg von Löhnen und Gehältern, werden für Oper und Schauspiel seit Jahren nicht übernommen — im Gegensatz zum Tanztheater und zum Orchester. Diese Erhöhungen müssen die Bühnen selbst auffangen. Das führte zu einer unaufhaltsamen strukturellen Auszehrung, die nun auf einen klaren Endpunkt zuläuft. Von den 1,1 Millionen Euro Rücklage, die die Bühnen nach Ende der Spielzeit 2013/14 haben, werden 2019/20 gerade mal 135.439 Euro übrig sein.
Um dieses Aus der Bühnen zu vermeiden, bestehe "dringender Handlungsbedarf", formuliert Schaarwächter. Wie der aussehen kann? Das weiß auch er nicht. Signale, dass man von Seiten der Stadt über die Schließung einer Sparte nachdenke, habe er nicht bekommen. Signale, dass man die Deckelung aufheben will, aber auch nicht. Das wird sogar mit Hinweis auf die Einhaltung des Haushaltssicherungsplanes strikt abgelehnt. Statt dessen wird nun vom Aufsichtsrat der Bühnen ein "Restrukturierungskonzept" gefordert.

Enno Schaarwächter ist ratlos: "Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie wir das auffangen können." In einer Klausurtagung im Oktober will man nun über mögliche Schritte beraten. Andere Mitglieder des Aufsichtsrates der Bühnen reagieren weniger zögerlich. "Die Sorge ist schon sehr groß", sagt Ingrid Pfeiffer (FDP). Sie sieht keine andere Möglichkeit, als die Deckelung aufzuheben. "Es kann mittlerweile nirgendwo mehr gespart werden. Jetzt sind der Gesellschafter und der Kämmerer gefragt." Zur Not müsse man im Haushalt eben zugunsten der Bühnen umschichten. "Das ist ja auch möglich, wenn andere Tochtergesellschaften Geld brauchen", macht sie ihrem Ärger Luft. Auch Bernhard Sander (Linke) ist erbost: "Jetzt, wo es schwierig ist, schlägt sich Peter Jung in die Büsche."

Was Sander meint: Der Oberbürgermeister war lange Vorsitzender des Aufsichtsrates und hat in dieser Zeit quasi im Alleingang den Intendantenwechsel an Oper und Schauspiel — vor allem in der Personalie Kamioka — entschieden. Lösen sollen das Problem jetzt aber die anderen. Was das "Opern-Modell Kamioka" die Bühnen letztlich gekostet hat, dürfte sich erst im Geschäftsbericht 2014/15 ablesen lassen. Aber auch im aktuellen Geschäftsbericht finden sich bereits Hinweise. Unter dem Punkt "Rücklagen" hat Schaarwächter dort zwei Posten vermerkt, die das vermuten lassen. Für Abfindungen sind 300.000 Euro vermerkt, für einen "Transformationsprozess" sogar 500.000 Euro. Schaarwächter erklärt: "Vor dem Wechsel der Intendanten wusste niemand, wie das vom Publikum angenommen wird. Für den Fall, dass etwas schief geht, habe ich daher was in den Sparstrumpf gesteckt." Dieses Geld werde er auch benötigen — wenn auch wahrscheinlich nicht die gesamte Summe.

Noch ist Zeit, der Abwärtsspirale entgegenzuwirken, wenn man verhindern will, dass der Vorhang nach der Spielzeit 2019/20 endgültig für eine Sparte fällt.

Ein Zeitpunkt übrigens, zu dem auch die Verträge mit den Intendanten Susanne Abbrederis (Schauspiel) und Berthold Schneider (Oper) enden, zu dem Enno Schaarwächter in Rente geht und der Vertrag über den Zuschuss der Theaterfreunde von 1,2 Millionen im Jahr für die Bühnen kurze Zeit später ausläuft ...

(nib)