Das ist Deutschlands "breitester" Pastor ...
Wuppertal · ... und er predigt in Langerfeld. Marcus Schneider schafft 175 Kilogramm beim Bankdrücken, hat vier Kinder, 13.000 Facebook-Fans und arbeitet je zur Hälfte für die Christus-Gemeinde an der Windhukstraße und als Dachdecker.
Breite Schultern, kräftige, tätowierte Arme, Bart und Glatze. Auf dem Oberarm ein riesiges Totenkopf-Tattoo, das die Kreuzigung Jesu darstellen soll. Seine Lieblingsmusik ist Rap und Punkrock. Im Fitnessstudio drückt der Mann schon mal 175 Kilo auf der Bank. Stellt man sich so einen ordinierten Pastor vor?
Für viele Menschen, die an Kirche denken, ist Marcus Schneider auf den ersten Blick sicherlich nicht unbedingt der Mann, der vor der Gemeinde steht und predigt. Trotzdem ist der 36-jährige Fitness-Fan Sozialwerkspastor der Christus-Gemeinde an der Windhukstraße.
1.000 Mitglieder hat die evangelische Freikirche in Wuppertal und Solingen. Und viele von ihnen hören Marcus Schneider zu, wenn er ungefähr zehnmal im Jahr seine Predigten hält. Ansonsten kümmert sich der vierfache Familienvater als Sozialwerkspastor unter anderem um die Organisation von Kleider- und Möbelkammer, um die Fußballschule "Bola Brasil" oder um die Kinderkirche. Seit anderthalb Jahren arbeitet er in halber Stelle bei der Kirche, die andere Hälfte als Dachdecker.
Trubel um seine Person als Pastor kann er ein Stück weit nachvollziehen. "Es stimmt schon, ich habe einige Leidenschaften, die man nicht unbedingt mit Kirche oder Glaube verbindet. Fitness und Tattoos sind aber Privatsache, das hat ja nichts mit meiner Gemeindearbeit zu tun", sagt Schneider.
Dennoch hilft sein Aussehen ihm zum Beispiel bei der offenen Jugendarbeit. Wenn er im Fitnessstudio mit Jugendlichen und jungen Menschen ins Gespräch kommt, nehmen die ihn eher wahr, als dass sie von sich aus in die Kirche gehen. Als selbst ernannter "breitester Pastor Deutschlands" pflegt er das Image auf seiner Facebook-Seite (13.000 Fans), veranstaltet in der Gemeinde Spendenwettbewerbe wie "Pumpen fürn guten Zweck".
"Gerade bei der interkulturellen Begegnung passiert vieles durch den Sport", sagt Schneider, der den jungen Leuten oft ein Vorbild ist, weil er nicht nur Fitness, sondern auch seinen Glauben ernst nimmt. Dazu kam er als Jugendlicher. "Standarderfolge wie Reichtum haben mein Herz nicht ausgefüllt. Glaube bedeutet für mich Hoffnung, Perspektive und Ziele zu haben", sagt er. Er möchte in jedem Lebensbereich authentisch sein. "Justified" steht auf seinem ersten Tattoo, das er sich mit 18 stechen ließ: "Vor Gott gerechtfertigt", erklärt Schneider. Alle seine Tätowierungen haben eine christliche Bedeutung.
Nach seinem Theologiestudium war der gebürtige Wolfsburger zehn Jahre lang Jugendpastor in Würzburg, ehe es ihn nach Norddeich und schließlich nach Wuppertal verschlug. Seit anderthalb Jahren ist Schneider in der Christus-Gemeinde. "Marcus ist auch für uns speziell, aber unser Credo ist: Wir grenzen niemanden aus, zum Beispiel aufgrund seines Aussehens oder seiner Nationalität", sagt Hauptpastor Friedhelm Holthuis (44), der die Gemeinde leitet. Schneider habe den Pastorenjob auch nicht, weil er Fitness macht, sondern weil er gute Arbeit leiste.