Weltfrauentag Bitte nicht so schüchtern!
Wuppertal · Irgendwo zwischen dem Tag der Zahngesundheit und dem Tag des Bieres hat man am 8. März den Weltfrauentag angesetzt. Umflort vom leicht muffigen Geruch von Doppelnamen, Gendersprech und anstrengender politischer Korrektheit suggeriert er heute eine merkwürdige Art von Machtlosigkeit und Opferstatus.
Nicht wenige Frauen finden ihn daher so peinlich gönnerhaft, dass sie ihn lieber abschaffen würden. Doch ist das so? Die Rundschau hat bei zwei Frauen nachgefragt.
Elena Myrbach ist das, was man eine Powerfrau nennt. Die zweifache Mutter, die sich 2012 mit einem Partyservice selbstständig machte und mit ihrem kleinen Team unter anderem die Bewirtschaftung der Ikea-Großbaustelle in Wuppertal verantwortete, wurde im vergangenen Monat mit dem Preis "Frau mit Profil" in der Kategorie "Kreative Lösung zur eigenen Existenzsicherung" ausgezeichnet. Verdient, wie sie lachend sagt. Und doch, es sei ihr schwer gefallen, sich überhaupt für den Preis zu bewerben. "Eine Bekannte hatte mich darauf aufmerksam gemacht", erzählt die 49-Jährige, die über ihrer kleinen Küche eine Wohnung angemietet hat — für Ruhepausen, für den Besuch ihrer Kinder, zur Übernachtung in stressigen Zeiten. "Ich habe mir das Formular angesehen und erst mal wieder weggelegt."
Denn es kam ihr seltsam vor, für sich selbst Werbung zu machen. "Ich sollte erklären, was genau ich tue, was mich von anderen abhebt, warum ich den Preis verdient habe. Das fiel mir total schwer." Doch nachdem sie die Unterlagen beiseite gelegt hatte, regte sich Widerstand in der selbstbewussten Frau. "Ne", dachte sie sich, "ich will den Preis aber. Ich möchte für das, was ich leiste, auch gewürdigt werden." Also sprang sie über ihren Schatten, füllte das Formular aus, schickte es ab — und wurde prompt im Februar von Oberbürgermeister Andreas Mucke ausgezeichnet. "Ein ziemlich gutes Gefühl", sagt sie.
Barbara Fromm coacht Frauen in Führungspositionen. Dabei erlebt sie öfter, dass Frauen sehr zurückhaltend sind, wenn sie ihre Stärken und Leistungen hervorheben sollen. "Männer tun dies ganz automatisch. Konkurrenz und die Frage ,wer ist besser' sind für sie völlig normal." In der Zusammenarbeit könne dies auch mal zu Problemen führen. Wichtig sei, dass Frauen sich dabei nicht einschüchtern lassen und bei sich bleiben. "Sich verstellen, ist nie eine gute Idee", sagt sie.
Auch Kim Münster fühlt sich immer wieder mit solchen Situationen konfrontiert. Die 35-Jährige ist Kreativproduzentin, Regisseurin und Geschäftsführerin der Produktionsfirma "Treibsand Film". Obwohl es während ihres Studiums ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen gegeben habe, finde man später kaum Frauen auf den Regiestühlen. Warum das so ist? Da kann die allein erziehende Mutter nur spekulieren. "Ja, Männer spielen sich die Bälle gern untereinander zu. Aber es sind auch Frauen, die Jobs lieber an Männer vergeben und anderen Frauen weniger zutrauen", berichtet sie.
Vielleicht liege das an der Art des Auftritts. Bei Pitchings (Wettbewerb um Fördermittel) würden Männer zuerst klar ihr Ziel nennen, während Frauen länger den Weg beschreiben, wie sie dorthin gelangen. Außerdem, so Kim Münster, erlebe sie oft, dass Männer mit ihren Plänen gern auf den Putz hauen. "Das klingt dann, als sei schon alles in trockenen Tüchern, dabei hat noch kein Produzent zugesagt", erzählt sie. "Ich backe da lieber kleine Brötchen und will sicher sein, dass meine Idee auch umgesetzt wird, bevor ich damit nach außen gehe."
Immer wieder wundere sie sich, dass Frauen an wichtigen Stellen so unterrepräsentiert sind. Im Verein "Vollbild", in dem sich junge, ambitionierte Filmemacher aus Wuppertal zusammengeschlossen haben, sei sie lange die einzige Frau gewesen. Und unter den 21 Stipendiaten des Mediengründer-Zentrums NRW gebe es gerade mal drei Frauen. Wirklich verstehen kann Münster das nicht, die im vergangenen Jahr ebenfalls mit dem Preis "Frau mit Profil" ausgezeichnet wurde. "Vielleicht müssen sich Frauen einfach mehr zutrauen, am Ball bleiben — auch wenn es mal Absagen gibt, nicht aufgeben", wünscht sie sich.
Barbara Fromm hat für Frauen stets zwei Wörter parat: Wahrheit und Klarheit. "Wer Dinge klar formuliert, offen und ehrlich ist, fährt am besten." Das erfordere Selbstbewusstsein und Mut. Aber es lohne sich. "In Unternehmen läuft es am besten, wenn der Anteil von männlichen und weiblichen Stärken ausgewogen ist." Dass dies noch ein langer Weg ist, zeigen Zahlen von 2015 (siehe Info-Box). Gut, dass man zumindest einmal im Jahr daran erinnert wird.