Leserbrief „Wolkenkuckucksheim der Politiker“

Betr.: Gehwegparken / Rundschau-Kommentar

Mülleimer auf dem Bürgersteig in der Bandstraße in der Elberfelder Nordstadt.

Foto: Ludger Zengerling

Sehr geehrter Herr Seitz, danke für Ihren ausgewogenen Kommentar zum Gehwegparken in engen Quartieren.

Am Mittwoch war ich in der Nordstadt unterwegs und es bot sich mir in mancher Straße ein ähnliches Bild wie auf dem beigefügten Foto in der Bandstraße: Nicht parkende Autos behinderten hier das Durchkommen auf dem Gehweg, sondern die mitten am Nachmittag schon für den nächsten Tag herausgestellten Mülltonnen. Viele werden am Donnerstag geleert und bleiben bis abends stehen.

Meint man es städtischerseits mit dem Schutz der Fußgänger so bierernst wie beim Parken, wo eine Reifenbreite auf dem Trottoir schon mit satten 55 Euro für das Stadtsäckel zu Buche schlägt (Anmerkung: Ich war nicht betroffen), so erwarte ich eine ähnlich strafbewehrte Verordnung, die das Herausstellen der Müllbehältnisse vor 20 Uhr abends untersagt, wenn die Leerung üblicherweise vor 9 Uhr morgens erfolgt, ansonsten ein Herausstellen erst ab 6 Uhr morgens und Wegräumen in beiden Fällen innerhalb von drei Stunden nach der üblichen Leerungszeit, wovon eine Ausnahme nur bei Überschreiten der üblichen Leerungszeit um mehr als zwei Stunden zulässig ist.

Wer jetzt argumentiert, dass das für Berufstätige nicht zu leisten sei, dem wird man städtischerseits sicher antworten: „Das ist bedauerlich, aber nicht zu ändern, da es eine entsprechende rechtliche Regelung gibt. Nutzen Sie demnächst irgendwann vielleicht einen unserer Mülltonnen-Sammelplätze in höchstens 400 Metern Entfernung, die wir uns am Rand des Viertels zu errichten ganz fest vorgenommen haben und wo die Müllbehälter schon am Vortag hingezogen werden und am Leerungstag bis abends stehen bleiben dürfen. Bis dahin viel Glück!“

Wäre eigentlich nur konsequent, wenn es so käme. Das Procedere entspräche einem bekannten Schema, das man auf allen politischen Ebenen kennt: Man macht ein Gesetz oder eine Verordnung, lobt sich selbst für das „sehr, sehr gute Gute-Parkplätze-Gesetz", ignoriert aus Prinzip in der Praxis fehlende Voraussetzungen, auf dass der kalte Wind der bösen Realität nicht den warmen Hauch der schönen Theorie verblase, bedauert bei Eintritt der prognostizierten Fehlentwicklungen diese als unvermeidliche Kollateralschäden, die aber der Qualität der Vorschrift nichts anhaben könnten, die doch so sehr den guten Willen und die hohen moralischen Standards ihrer Gestalter widerspiegele.

Mit den Folgen der Unvereinbarkeit der schnöden Wirklichkeit mit dem Wolkenkuckucksheim der Politiker werden Bürger und Bürgerinnen dann allein gelassen.

Ludger Zengerling

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