Leserbrief „Demokratie ist kein Wunschkonzert“

Betr.: Diskussion über die Demo gegen rechts

Plakat auf der Demo in Elberfeld.

Foto: Karl-Heinz Krauskopf

Nach der Mut machenden Demo am Samstag bin ich nach Hause gekommen und habe mich gefragt, wie sicher viele andere auch, wann zuletzt in Wuppertal so viele Menschen auf die Straße gegangen sind. Für Vielfalt und Demokratie und gegen etwas so Bedrohliches wie die AfD und rechtsextremen Terror, das gibt mir Zuversicht.

Dass bei der schieren Masse an Menschen und den verschiedenen Perspektiven in den Redebeiträgen auch Aussagen oder Parolen vertreten werden, die nicht mit meiner eigenen übereinstimmen oder die ich unangebracht finde, ist doch Kern einer pluralen und vielfältigen Gesellschaft, um die wir gemeinsam zu kämpfen gezwungen sind.

Auch als Teil einer Masse kann man individuell entscheiden, wenn man mit Redebeiträgen oder Rufen nicht einverstanden ist und beispielsweise nicht mitklatschen oder die Veranstalterinnen und Veranstalter im Nachhinein anschreiben. Klar gehört es auch zum demokratischen Miteinander dazu, Kritik zu üben und diese zu begründen. Nur so können wir miteinander wachsen und uns gemeinsam weiterentwickeln.

Doch wünsche ich mir, auch mit Blick auf einige empörte Leserbriefe, dass wir uns alle öfter fragen, wieso, an wem und auf welche Weise man Kritik übt. Und sich fragt, welche Sichtweise man dabei mitbringt. Kann man sich auch nur ansatzweise vorstellen, wie es ist, wenn man selbst oder Familienmitglieder tagtäglich Beleidigungen oder Diskriminierungen erfahren müssen? Oder wie es sein muss, durch Deportationspläne akut gefährdet zu werden, und gleichzeitig von einem erwartet wird, trotzdem ständig ruhig und sachlich bleiben zu sollen?

Bringt man sich selbst langfristig ein und ist aktiv, um Vielfalt und Demokratie zu verteidigen oder macht man es sich bequem darin, andere zu disziplinieren? Und wieso wählt man die öffentliche Auseinandersetzung, wenn man auch den direkten Austausch suchen kann?

Ich finde es ist ein tolles Zeichen, dass so viele Menschen vor Ort Gesicht gezeigt haben. Demokratie ist jedoch kein Wunschkonzert und endet auch nicht an der Wahlurne oder auf einer Demo. Es verlangt lebenslangen Einsatz für eine vielfältige Gesellschaft, in der alle gleichermaßen gerecht und sicher leben können – im Kleinen wie im Großen.

Hanna Sauer

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