Leserbrief „Nicht in einem 50 Jahre alten Modell“
Betr.: Ausbau der L419, Leserbrief „Kurzer Arbeitsweg oder die rosarote Brille“
Herr Plachetka stellt falsche Frage. Es geht nicht um die Wahl „Stau oder weniger Verkehr auf der Straße“. Was hier abgewogen werden muss, sind zehn Minuten Fahrzeitverlängerung gegenüber immensen Baukosten, neuversiegelter Fläche, abgeholztem Wald, Luftverschmutzung und Lärmbelästigung, Lebensqualitätsverlust der Anwohner, Eingriff in den Lebensraum der Tiere, höhere Belastung der Umweltschutzzone, Benachteiligung des ÖPNV sowie des Rad- und Fußverkehrs auf der Strecke.
Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine so starke Bevorzugung des automobilen Individualverkehrs erlebt, dass heute jeder Schritt in eine Gleichberechtigung der anderen Verkehrsteilnehmer wie die Beschneidung von Autofahrerrechten wirkt. Aber zehn Minuten Fahrzeitverlängerung lassen sich kaum gegen all diese das Gemeinwohl betreffenden Einschränkungen aufwiegen. – Abgesehen davon, dass der Verkehr nicht besser fließen wird, solang das Nadelöhr Blombachtalbrücke weiterhin besteht.
Der Klimawandel wird uns über kurz oder lang zwingen, Dinge zu verändern. Noch können wir vielleicht die Augen verschließen und uns mit Händen und Füßen dagegen wehren, aber in ein paar Jahren wird das nicht mehr möglich sein. Dann müssen mit einem Schlag all die Versäumnisse der letzten Jahre und auch von heute aufgeholt werden. Dann wird es um Renaturierung von Flächen, Aufforstung der Wälder gehen. Wie kann man also heute noch ein Verkehrsmodell durchwinken, das längst nicht mehr zeitgemäß ist?
Der Busverkehr muss Vorrang haben, die Radwege ausgebaut statt reduziert werden. Das Homeoffice wird immer weiter in den Fokus rücken, und dann liegt da eine große neue Straße, die wieder zurückgebaut werden muss. All die dafür notwendigen Ressourcen, vom Baumaterial bis hin zur Arbeitszeit der Planenden, wären besser in zukunftstauglichen Projekten und nicht in einem 50 Jahre alten Modell angelegt.
Übrigens lässt sich ein kleiner Stau zum Beispiel mit einem Hörbuch auch prima für etwas Positives nutzen, statt sich über verlorene Zeit zu beklagen. Ich empfehle „Momo“ von Michael Ende.
Miriam Schäfer
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