Bildhauer Eckehard Lowisch im Rundschau-Porträt Stein zerstören und neu formen
Wuppertal · Marmor ist seit Jahrtausenden das klassische Material für Skulpturen. Bildhauer Eckehard Lowisch gibt ihm ungewöhnlich gewöhnliche Formen und lässt den Stein Teil unseres Alltags werden.
Ist Pina Bausch kurz vorbeigekommen? Die malerisch zu einem Berg aufgetürmten Zigarettenkippen lassen es vermuten. Doch die täuschend echt aussehenden Reste der Glimmstängel sind aus Marmor, 600 an der Zahl, wirken nur auf den ersten Blick gleich, lassen das Genormte wieder individuell werden. Gleichzeitig erzählen sie ein wenig über den Künstler Lowisch, der selber raucht.
Eckehard Lowisch studierte nach einer Lehre zum Steinmetz Industriedesign, arbeitet jedoch seit über 25 Jahren als Bildhauer, immer mit dem Stein als Material. "Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen, Marmor wird seit Jahrtausenden verwendet. Ich habe vieles ausprobiert, bin aber immer wieder auf den Stein zurück gekommen. In meinen Arbeiten nehme ich ihm das Erhabene, treffe neue Aussagen über den Stein. Ich setze Marmor ganz ohne Pathos ein, das nimmt auch dem Betrachter die Hemmschwelle, sich mit meiner Kunst auseinanderzusetzen. Der Stein an sich hat schon vom Gewicht her etwas Monumentales, fast wirkt er bedrohlich, oft zerstöre ich ihn und setze ihn neu zusammen", so der Künstler, der sich bei seiner Arbeit auch vom Material leiten lässt. "Es passieren Dinge, die ich nicht steuern kann, bildhauerische Ereignisse".
Lowisch kennt den Stein, kann ihn quasi lesen. Das weiß auch sein Kollege Tony Cragg zu schätzen, für den Lowisch seit vielen Jahren tätig ist. Nach den Entwürfen des international gefragten Bildhauers stellt der Wuppertaler Skulpturen her, gibt ihnen den letzten Schliff, ist dabei, wenn die Kunstwerke auf Reisen gehen, an anderen Orten aufgestellt werden.
Abgefärbt hat die Arbeit des berühmten Kollegen nicht auf Lowisch, er hat eine ureigene Handschrift entwickelt. Während Cragg auf die Abstraktion setzt, spielt die Kunst von Eckehard Lowisch im Alltag, definiert das Alltägliche neu, lässt uns staunen. Waren es in totalitären Systemen erhabene Werke, die aus Marmor entstanden, finden sich bei Lowisch eine überdimensionale Blutwurst, Kissen, eine Toilettenpapierrolle oder gestapelte Paletten, keine einfachen Nachbildungen, sondern Kunstwerke, die eine eigene Dynamik entwickeln. Bei der Europalette sind es einzelne Leisten, die sich verbiegen, dem Material etwas Leichtes geben. Der Bürgermeister von Calais wird zu einer leeren Weinkiste mit sechs Korken, ein Mandalakreis setzt sich aus Schlagringen zusammen. Anspielungen auf gesellschaftliche Realitäten, ironisch, mit dem Lowisch eigenen Humor.
In seinen Arbeiten zerstört Lowisch den Stein und setzt ihn anschließend neu zusammen. Takelgarn kommt zum Einsatz, Lowisch näht den Stein, gibt ihm archetypische Formen, nutzt ihn als Bandage. Zu jeder Arbeit fertigt der Künstler Skizzen an, legt das zu erzielende Ergebnis fest, ohne sich festzulegen, denn der Stein ist es, der unter seinen Händen ein Eigenleben entwickelt, die Form vorantreibt.
Seit dem vergangenen Jahr sind die Arbeiten von Eckehard Lowisch im öffentlichen Raum vertreten. Als Leihgaben zieren fünf großformatige Werke des Bildhauers die Mauernischen des Bahnhofvorplatzes in Vohwinkel. Kunst, die nicht abgehoben im Museum steht. Hier ist nicht nur Betrachten erlaubt. Wer den Stein berührt, erfährt etwas über seine Struktur und sein Wesen und kommt dem Künstler Eckehard Lowisch ein ganzes Stück näher.