Interview über die Zukunft der Wuppertaler Bühnen Schaarwächter: "Allein schaffen wir das nicht"
Wuppertal · Die Wuppertaler Bühnen haben die Spielzeit 2015/16 mit einem Jahresüberschuss von 172.000 Euro abgeschlossen. Die Besucherzahlen im Bereich Orchester/Konzerte liegen stabil bei 42.000; bei Musiktheater, Schauspiel und Weitere sind sie um 9.000 auf 65.000 Besucher gestiegen.
Doch die guten Zahlen trügen — es steht schlecht um die Zukunft der Bühnen.
Das liegt nach wie vor in erster Linie an der bestehenden städtischen Deckelung der Zuschüsse für Personalkosten. Geschäftsführer Enno Schaarwächter sprach mit Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz über finanzielle und künstlerische Herausforderungen und die Rolle der Politik.
Rundschau: Herr Schaarwächter, vor zwei Jahren haben sie prognostiziert, dass die Bühnen nach der Spielzeit 2019/20 kein Geld mehr haben werden. Im vergangenen Jahr haben die Unternehmensberater Actori den Zustand der Bühnen untersucht und einige Vorschläge erarbeitet, um die finanzielle Lage zu verbessern. Wie sieht es jetzt aus?
Schaarwächter: Bei allen Unwägbarkeiten einer solchen Rechnung kann das Theater ab 2020/21 so nicht mehr existieren. Dieses anhaltende Problemgerede ist belastend — für die Mitarbeiter wie für die Zuschauer, die nicht mehr leichten Fußes ins Theater gehen. Die Stadt muss endlich handeln, damit man sich wieder mit Inhalten befassen kann. Denn das Theater muss sich verändern. Theater für eine Stadt zu machen, genügt heute nicht mehr. Man muss überregional Interesse erzeugen.
Rundschau: Was setzen Sie aus dem Actori-Gutachten um?
Schaarwächter: Das Gutachten hatte im Wesentlichen drei Ergebnisse. Erstens: Bei den Aushilfen im Orchester soll gespart werden. Da sind wir mit Julia Jones (die neue Generalmusikdirektorin / Anm. d. Red.) auf einem guten Weg. Zweitens: Es soll mehr gespielt werden. So wird das Schauspiel in der kommenden Spielzeit zwei große Produktionen im Opernhaus spielen — bisher war es eine — sowie sieben statt fünf Produktionen im Theater am Engelsgarten. Mit einer Produktion im Opernhaus haben wir die Chance auf drei- bis fünf Mal so viele Besucher im Vergleich zur kleinen Spielstätte. Für mehr Wechsel zwischen den beiden Spielstätten fehlt uns einfach die personelle Kraft. Und drittens muss es uns gelingen, durch Sponsoring und Fundraising Geld einzuspielen.
Rundschau: Wie kann das gelingen?
Schaarwächter: Wir müssen das Theater verstärkt bei Unternehmen, Vereinen und Verbänden bekannt machen. Am Ende sollte dann da eine sechsstellige Zahl stehen. Aber dieser Markt ist in Wuppertal hart umkämpft. Die Zahl der Sponsoren ist begrenzt und es gibt viele, die an deren Türen kratzen. Nicht zuletzt lebt auch die freie Kulturszene davon… Um das professionell anzugehen, brauchen wir eine neue Stelle, jemanden, der weiß, wie das geht.
Rundschau: Ist die Stelle ausgeschrieben?
Schaarwächter: Sie war bereits ausgeschrieben. Aber unter den Bewerbern haben wir keinen geeigneten Kandidaten gesehen. Aber wir verfolgen das weiter, denn ich denke, wir sind in einer Lage, in der wir nichts unversucht lassen sollten. Doch um das klar zu sagen: All das genügt nicht, um die prinzipielle Unterfinanzierung der Bühnen abzuwenden. Das Abschmelzen der Rücklagen wird dadurch lediglich etwas verzögert. Wie lange, das lässt sich nicht sagen.
Rundschau: Ein städtisches Theater, das auf Geld von Sponsoren angewiesen ist. Hat das zur Folge, dass das Ensemble im Gegenzug auch exklusiv für Firmen spielen muss?
Schaarwächter: Ja, so könnte das aussehen. Das darf man natürlich nicht überstrapazieren, das ist ein schwieriger Spagat.
Rundschau: Sie sprachen vorhin davon, dass das Theater auch überregionale Strahlkraft entwickeln müsse. Gerade in der aktuellen Situation kaum vorstellbar…
Schaarwächter: Berthold Schneider hat es in dieser Spielzeit mit der Oper vorgemacht: Für "Hoffmanns Erzählungen" gab es direkt sehr viel Aufmerksamkeit und überregional sehr viele positive Kritiken. Da müssen wir hin: Das Wuppertaler Theater muss in NRW wieder wahrgenommen werden als eine Bühne, die im Aufwind ist. Mit Thomas Braus (Theaterintendant ab 2017/18 / Anm. d. Red.) bewegt sich da was.
Rundschau: In Ihrem Analyse-Papier schreiben Sie, dass es zum einen in Wuppertal ein überdurchschnittlich altes Publikum gibt und dass die Bühnen ebenfalls überdurchschnittlich viele Veränderungen — personelle, räumliche und finanzielle — zu überstehen hatten. Wäre man damals den Weg mit Christian von Treskow (Theaterintendant 2009—2014 / Anm. d. Red.) weiter gegangen, der ja gerade jüngere Zuschauer angesprochen hat, wäre man heute schon weiter, oder? Inwieweit hat das Hin und Her den Bühnen geschadet?
Schaarwächter: Ich würde sagen, es hat uns noch nicht geschadet. Aber ja, wir wären heute wahrscheinlich ein Stück weiter, wenn wir den Weg mit ihm weiter gegangen wären.
Rundschau: Zurück zum Finanziellen. Ist der sogenannte "Deckel" die größte Sorge?
Schaarwächter: Momentan blicke ich mit Hoffnung auf einen Vorschlag, den der Deutsche Städtetag gemacht hat. Demnach soll die Tariferhöhung, die in NRW bei etwa drei Prozent liegt, in gleichen Teilen von Stadt und Land getragen werden. Wenn sich das Land tatsächlich verpflichten würde, die Kosten dynamisierend mitzutragen, wäre das ein Riesensprung. Man muss endlich kulturpolitisch zum Theater stehen — alleine schaffen wir das nicht!
Rundschau: Das gilt auch für die Kommune?
Schaarwächter: Ja, ich kann den Rat nur bitten, die Bühnen bei den Haushaltsplanungen für 2018/19 mit großem Engagement zu unterstützen. Andernfalls lähmen wir den künstlerischen Aufschwung und steuern unaufhaltsam auf das Ende zu. Wuppertal hat eine lebendige Oper, ein innovatives Schauspiel und ein klangvolles Orchester verdient.
"Das Wuppertaler Theater muss in NRW wieder wahrgenommen werden als eine Bühne, die im Aufschwung ist", sagt Enno Schaarwächter, Geschäftsführer der Bühnen.Foto: Bühnen