Interview: Schauspieler Stefan Walz über Lessings "Nathan der Weise" "Die Rolle ist ein Geschenk und eine Herausforderung"

Wuppertal · Noch steht er in der Concordia als Konsul Buddenbrook auf der Bühne, doch ab kommenden Samstag ist Stefan Walz als "Nathan der Weise" im Theater am Engelsgarten zu sehen.

Schauspieler Stefan Walz ist ab Samstag als Nathan der Weise im Theater am Engelsgarten zu sehen.

Foto: Raina Seinsche

Rundschau: Ist Nathan wirklich weise?

Walz: Er selbst bezeichnet sich nicht als weise. Seine Weisheit besteht in der Tatsache, dass er versucht, vernünftig zu denken, Gefühle herauszulassen. Das Stück spielt in turbulenten Zeiten. Krieg, Gewalt, Liebe und Hass sind die beherrschenden Themen. In diesem Chaos bleibt Nathan ruhig. So bekommt er es hin, dass sich die Menschen am Ende nicht umbringen.

Rundschau: Hat das Stück aktuelle Bezüge?

Walz: Ja, das kann man sagen. Das Stück wird nicht umsonst von vielen Theatern wieder gespielt. Lessings Text beinhaltet Formulierungen, wie man sie heute nicht treffender finden könnte. Man glaubt kaum, dass er den Text um 1779 geschrieben hat. Ich frage mich, wie lange man das Stück noch spielen muss, bis alle den Inhalt begriffen haben.

Rundschau: Was macht Nathan zum Wissenden?

Walz: Nathan ist Geschäftsmann, er reist viel, kennt andere Länder. Dabei lernt er viele verschiedene Menschen kennen, gute und schlechte. Im Stück sagt er zum Tempelherrn: "Ich weiß, dass alle Länder gute Menschen tragen". Er kennt keine Unterschiede, das ist sein Wissen.

Rundschau: Gibt es Parallelen zwischen dem Konsul Buddenbrook und Nathan?

Walz: Das sind ganz verschiedene Dinge, Thomas Mann ist der Sprachmeister, Lessing, der aufklärerische Humanist und Idealist. Der Konsul ist wie ein handgemachter englischer Herrenschuh, Nathan ein Hermès Schuh mit Flügeln. Vom sprachlichen Niveau nehmen sie sich nichts. Lessings Text ist jedoch schwerer zu lernen.

Rundschau: Was macht den Lessing-Text komplizierter?

Walz: Lessing spielt in einer Art und Weise mit der Sprache, die manchmal schwer zu begreifen ist, da kann man den Text nicht einfach nach Gefühl auswendig lernen.

Rundschau: Ist Nathan also eine Herausforderung?

Walz: Nathan gehört zu den großen Figuren des deutschen Theaters. So eine Rolle ist ein Geschenk, aber auch eine Herausforderung, wenn man den Nathan zum ersten Mal spielt.

Rundschau: Gehört das Stück nicht auf die große Bühne der Oper?

Walz: Nathan kann man überall spielen, selbst "konzertant" an einem Tisch sitzend. Es ist ein Stück über eine große Idee, man muss sich damit auseinandersetzen.

Rundschau: Wird die Inszenierung eher modern oder klassisch?

Walz: Eher modern, nicht klassisch-naturalistisch, die Zeiten haben sich verändert und auch im Theater sucht man nach neuen Formen und Darstellungsweisen. Doch das Stück wird als solches gespielt, nicht aufgebrochen durch Fremdtexte. Das Stück ist einfach saumäßig gut.