Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Sind Sie gut rausgekommen?

Wuppertal · Na, sind Sie gut ins neue Jahr reingekommen? Diese Frage ist nur noch zweitrangig, denn im wesentlichen wollten wir ja vor allem möglichst schnell aus dem alten rauskommen.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Das abgelaufene Jahr ist unter dem Druck der vielen guten Wünsche, mit dem es vor zwölf Monaten belegt wurde („2021 wird dat bestimmt alles besser mim Corona“), am Ende eingebrochen wie Darth Vader beim Luftballonaufblaswettbewerb.

2022 haben wir jetzt alle Chancen darauf, dass die Inzidenz in Wuppertal erstmals höher wird als die Jahreszahl, was gute Neujahrswünsche erneut relativiert. Die positive Nachricht: Wenn die Inzidenz bei uns 365.000 beträgt, kann sich definitiv keiner mehr anstecken ...

Zum Jahreswechsel gibt es übrigens traditionell nicht nur gute Wünsche, sondern auch gute Vorsätze, die meist ähnlich schnell verpuffen. Das liegt nach neuesten Erkenntnissen daran, dass diese Vorsätze als Verbote formuliert und deshalb nicht wirklich motivierend sind. Man soll also nicht sagen „2022 darf ich keinen Alkohol mehr trinken“, sondern „2022 darf ich öfter nüchtern bleiben“. Nach dieser Logik könnte man auch andere Lebensbereiche rhetorisch aufhübschen. Es heißt dann nicht mehr „Ich bin jetzt arbeitslos“, sondern „Ich verbringe neuerdings mehr Quality Time mit der Familie“.

Apropos Quality Time: Die ist auch neu im Sortiment und Resultat der allgemeinen Amerikanisierung unserer Lebensumstände, die uns alle schon zu Eierphoneköpfen und unsere Chefs zu Zi-Ih-Ohs gemacht hat. Früher hatten wir einfach nur Zeit, aber jetzt muss man die offensichtlich differenzieren. Quality Time ist dabei augenscheinlich gut, weil man sie gemäß der Definition in Wikipedia der Familie oder dem Lebenspartner widmet. Ob Al Bundy die Zeit mit seiner schrecklichen netten Familie allerdings auch als Quality Time empfunden hat, müsste man mal kritisch hinterfragen.

Wenn es Quality Time gibt, müsste es logischerweise auch Quantity Time geben. Davon habe ich noch nie gehört, rechne aber fest damit, dass der Begriff mittelfristig das eigentlich bewährte Wort Langeweile ablösen wird. Schon jetzt vorhanden ist aber Facetime, womit wir wieder beim Thema Eierphoneköpfe wären ...

Weil man auf unseren altmodischen Armbanduhren von früher nur die einfache Zeit ablesen konnte, wurden neulich Smart Watches erfunden. Die zeigen auch an, was für eine Art Zeit man gerade verbringt und rappeln am Handgelenk, wenn man zu viel Quantity Time ohne Bewegung hatte und dringend 50 Squats machen sollte. Falls Sie Squats nicht kennen: Die hießen bis vor kurzem Kniebeugen und machten unter diesem Namen genauso Muskelkater wie Squats, von denen man wahrscheinlich heute
Muscle-Tomcat bekommt ...

Aber ich bin vom Thema Zeit abgeschweift und wollte doch noch sagen, dass es ja diesen alten Satz gibt: „Zeit ist, was verhindert, dass alles auf einmal passiert.“ Das gelingt ihr allerdings zusehends schlechter. Wir machen schließlich gerade Klimakrise, Coronakrise, Afghanistankrise, Lieferkettenkrise, Vertrauenskrise und Ukrainekrise gleichzeitig durch.

Flüchten kann man sich da nur in die Mutter aller Chrono-Soaps, die seit 30 Jahren unter dem Titel „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ täglich auf RTL läuft. Da verbringen die Darsteller im Gegensatz zu uns seit zwei Jahren jede Menge Quality Time ohne Corona, weil die Pandemie praktischerweise nicht im Drehbuch vorkommt. Bei mir führt das allerdings irgendwie zu ziemlicher Quantity Time. Wissen Sie was: Time to say goodbye ...

Bis die Tage!