Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Nochmal nache Leiönz

Wuppertal · Durch Corona und die Lockdowns haben ja viele Leute noch jede Menge Resturlaub. Ich auch. Deshalb musste ich den jetzt nehmen, obwohl ich natürlich viel lieber was Frisches für Sie geschrieben hätte.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

 Weil außer mir aber auch noch der beliebte Lions-Glühweinstand auf dem Elberfelder Weinachtsmarkt nicht da ist, bin ich auf die Idee gekommen, Ihnen mit dieser Glosse aus dem Jahr 2009 den Geschmack des Klassikers quasi aus der Retorte nochmal auf die Zunge zu zaubern. Und falls Ihnen das nicht reicht: Den Lions-Glühwein für den guten Zweck gibt‘s ersatzweise als „Weihnachtsmarkt für Zuhause“ im Paket mit Gebäck und Getränk. Er ist erhältlich in allen Wuppertaler akzenta-Märkten sowie in den Filialen des Sanitätshauses Beuthel. Bestellungen sind auch möglich per Bestellformular oder mit einer formlosen Mail an lionszuhause@gmx.de

Manche Sachen sind ja irgendwie Kult. Zum Beispiel das Glühweintrinken in Elberfeld. Da kann man natürlich nicht an irgendeinen Weihnachtsmarkt-Stand gehen, sondern muss zu den Lions. Auf gut Wuppertalerisch könnte man auch sagen „nache Leiönz“. Dort wird seit Jahren für den guten Zweck Glühwein in solchen Mengen eingenommen, dass der ganze Weihnachtsmarkt zwischenzeitlich mal in Lichtermarkt umbenannt wurde, weil hier abends alle die Lampen an haben.

Im Laufe der Jahre ist der Stand durch die Kontinentalverschiebung oder weil es in der Herzogstraße immer so zieht langsam von dem früheren Becher-Gebäude, das übrigens nicht wegen des Glühweins so hieß, Richtung Kasinokreisel gewandert. Aber egal, wo der Stand steht: Er hat überall den entscheidenden Vorteil, dass der Lions-Glühwein nicht nur für einen guten Zweck verkauft wird, sondern auch noch schmeckt. Das darf man nicht als selbstverständlich betrachten, weil ich an anderer Stelle (natürlich außerhalb Wuppertals) auch schon welchen getrunken habe, gegen den Kühne-Weinessig vergleichsweise lieblich ist.

Am Kasinokreisel kann der Lions-Stand jetzt auch noch damit punkten, dass er direkt neben dem Karussell steht. Die Blagen müssen dann so lange im Feuerwehrauto im Kreis fahren, bis Papi den Glühwein-Durst gelöscht hat. Das kann allerdings dauern, weil die Popularität des Standes inzwischen alle Grenzen sprengt. Zur Glühwein-Stoßzeit sieht es rund um die kleine Holzhütte so aus, als würden da drin nicht ehrwürdige Kräfte aus dem Wuppertaler Gesellschaftsleben, sondern Tokio Hotel und Madonna den Glühwein ausgeben.

Das Geschiebe und Gedrängel führt natürlich nicht unbedingt zu maximaler Besinnlichkeit, sondern zu gelegentlicher Unbesonnenheit. Zumal sich unter die potenziellen Glühweinkäufern auch noch die Pfandbecherzurückgeber mischen, deren Frustrationstoleranz naturgemäß geringer ist, weil sie sich ja auf keinen weiteren Glühwein mehr freuen können und nur ihre Kohle zurückbekommen wollen. Dieses Getümmel kulminiert am Tresen, wo schnell deutlich wird, warum der Stand nach Löwen benannt ist. Im Kampf um seinen Glühwein oder das Becherpfand wird der Wuppertaler nämlich automatisch zum Raubtier.

Wer sich bis vorne durchkämpfen konnte, hat bis dahin mindestens größere Mengen Haare vom Vordermann (ersatzweise Wollreste lustiger Mützen) geschluckt und diverse Handgemenge mit dreisten Seiteneinsteigern gewonnen. Die Königsdisziplin kommt aber erst anschließend: Abtransport von drei bis vier Glühwein durch die lawinenartig nachrückenden Massen!

Die Becher sind dabei dankenswerterweise immer randvoll eingeschüttet und so heiß, dass die Außenhülle nach 20 Sekunden die Temperatur eines Kernreaktors erreicht. Diese Lieferung unfallfrei in die sichere Zone außerhalb der Menschenmenge zu bringen, braucht jahrelange Erfahrung, ersatzweise eine Zehnerkarte für die Schnellreinigung oder eine gute Haftpflichtversicherung. Glühwein mag nämlich jeder, nur nicht auf der Juppe.

Vielleicht bräuchte man deshalb so ein geregeltes Schlangenstehsystem wie am Flughafen. Obwohl: Im Namen „Lions“ schwingt ja auch so etwas Wildes und Ungezähmtes mit. Deshalb muss es vielleicht sogar so sein, dass am Lionsstand genau wie in der Natur noch das Gesetz des Stärkeren gilt. Und wer sich seinen Glühwein darwinistisch erkämpft hat, dem schmeckt er garantiert noch mal so gut. Bis die Tage!

Übrigens: Es gibt noch Restexemplare des 2020 erschienenen Buchs „LANGE NACH TORESCHLUSS“, mit meinen besten Glossen im Buchhandel sowie beim Rundschau-Verlag (vor Abholung bitte telefonisch anmelden unter der Rufnummer 0202/27144-0) am Johannisberg als gebundene Hardcover-Ausgabe für 18,90 Euro. Außerdem ist es als eBook in den Bibliotheken von Kindle und Tolino für 14,99 Euro erhältlich.