Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Trotzki, Obwohlski, Jedochski?
Wuppertal · Auf diesem Wege möchte ich mich herzlich bei der zukünftigen Wuppertaler Bildungselite bedanken, die es mit Hilfe einer Oberstufenparty geschafft hat, Wuppertal auf die Landkarte der deutschen Corona-Hotspots zu bringen. Es war schließlich unerträglich, dass Remscheid dauernd in den Nachrichten kam und wir nicht.
Zur Belohnung dürfen sich viele Familien jetzt überlegen, ob sie bei acht Grad und Nieselregen in den Herbstferien lieber Urlaub am Alten Markt oder auf der Hardt machen möchten. Im Rest Deutschlands lassen sie jetzt nämlich die Rolladen runter und rufen die Polizei an, wenn ein Auto mit Kennzeichen „W“ um die Ecke biegt.
Mein Vertrauen in unseren intellektuellen Nachwuchs ist übrigens schon Anfang dieser Woche erheblich erschüttert worden. Da saß nämlich bei „Wer wird Millionär?“ ein fröhlicher Kandidat auf den Stuhl, der mit 25 Jahren schon als Zahnarzt praktiziert und etwas verschämt einräumte, ein 1,0-Abitur hingelegt zu haben. Die Zurückhaltung war nicht ganz unangebracht, weil sich bereits bei der 500-Euro-Frage eine schier unüberwindbare Hürde vor dem mit allen schulischen Reifeprüfungsweihen gewaschenen Superhirn auftürmte: „Wer spielte eine wichtige Rolle bei der Oktoberrevolution in Russland?“ wollte Moderator Günter Jauch wissen und präsentierte schmunzelnd die Antwortmöglichkeiten: „Jedochski, Trotzki, Obwohlski, Dabeiski“ ...
Dazu muss man wissen, dass der junge Dentist aus Nordrhein-Westfalen kommt und zum ersten Jahrgang der Schüler gehörte, die in nur acht Jahren zum Abitur geführt wurden. Leo Trotzki, der Organisator der Oktoberrevolution und damit eine der wichtigsten weltgeschichtlichen Figuren des 20. Jahrhunderts, wäre wahrscheinlich im neunten Jahr drangekommen. Aber für solche Bildungslücken gibt es ja den Publikumsjoker, mit dessen Hilfe man dann auch kleine Defizite der schlechtesten Bildungspolitik Deutschlands ausgleichen kann ...
Leider hat niemand bei der lustigen Wuppertaler Oberstufenparty den Publikumsjoker gezogen, um zu hinterfragen, ob die AHA-Regel bei Corona wirklich „Abtanzen-Händchenhalten-Anhusten“ bedeutet. Deshalb können wir jetzt wieder zu Hause bleiben und uns Dingen widmen, zu denen man sonst einfach nicht kommt. Mein Tipp fürs Wochenende: Nehmen Sie teil an der Abstimmung über den Vogel des Jahres 2021. Der kann anlässlich des 50-jährigen Jubiläums dieser Naturschutzaktion erstmals von der Bevölkerung gewählt werden. Unter www.vogeldesjahres.de steht dazu eine Liste mit 307 Vogelarten, von denen man eine nominieren darf.
Ich hätte ja den Pleitegeier passend gefunden, aber der steht gar nicht auf der Liste drauf. Das wundert mich etwas, weil er nach meinen Erkenntnissen garantiert nicht vom Aussterben bedroht ist. Aber nutzt ja nichts, muss ich mir eben einen anderen aussuchen. Im Gegensatz zu Jogi Löw, der mal wieder überwiegend formschwache Ersatzspieler ohne Spielpraxis für die Fußball-Nationalmannschaft nominiert hat, damit wir auf keinen Fall gegen die Türkei gewinnen und Erdogan verärgern, gebe ich mir dabei richtig Mühe. Ich verwerfe also nach und nach den Raubwürger, das Sommergoldhähnchen, den Säbelschnäbler, den Zilpzalp und den Gelbspötter. Kurz liebäugle ich mit dem Berghänfling, aber bei dem muss ich zu sehr an Stefan Mross denken. Am Ende entscheide ich mich für eine kleine Reminiszenz an unsere so sehr feierfreudigen Wuppertaler Oberstufenschüler: Ich greife zur Maus und klicke auf ... die Trottellumme!
Bis die Tage!