Aus dem Tagebuch der Redaktion Ein sündiger Abend in Oberbarmen

Wuppertal · Jetzt ist sie weg. OB Mucke persönlich hatte in seinem früheren Leben als Quartiermanager schon darum gekämpft, dass sie abgerissen wird. Die so genannte Schrott-Immobilie an der Gildenstraße neben der B 7 in Oberbarmen.

Rundschau-Redaktionsleiter Hendrik Walder.

Foto: Bettina Osswald

Ein Schandfleck sei sie gewesen — und in der Tat: Ausgebrannt und verkommen war ihre aktuelle Begegnung mit der Abrissbirne wohl auch für sie eine Erlösung.

Aaaaaber: Für langgediente Rundschau-Mitarbeiter war sie auch ein Symbol für, sagen wir mal, ausgelassene Betriebsfeiern, als wir alle noch jung und schön waren. Deswegen, und weil die Angelegenheit auch längst verjährt ist, erzähle ich an dieser Stelle mal von jener Weihnachtsfeier vor rund 30 Jahren, die uns ursprünglich ins Felder- oder Deilbachtal geführt hatte. Nach ausgiebiger Verköstigung gelüstete einer größeren Nachtschwärmergruppe nach einer Fortsetzung des angebrochenen Abends, doch das dazugehörige gastronomische Angebot war seinerzeit in Wuppertal noch sehr überschaubar. Zumal wenn der Uhrzeiger schon 2 Uhr überschritten hatte.

Irgendjemand muss letztlich die verruchte "Brasilia-Bar" ins Gespräch gebracht haben, die seinerzeit in eben dieser jetzt abgerissenen Immobilie zu Hause war. Bis dato hatte sie niemand unter uns von innen gesehen. Zumindest gab es keiner zu.

Der Türsteher an der Luke staunte nicht schlecht, als kurz vor Toresschluss fünf Taxen mit 20 fröhlichen Nachteulen für eine Belebung des bislang trostlosen Geschäfts zu sorgen schienen. Vorsichtig betraten wir das schummrige Etablissement, hockten uns in die halbrunden Cocktailsessel und betrachteten erschrocken die Getränkekarte. Was man dort erblickte, wollte so gar nicht zum sonstigen Preisniveau der Oberbarmer Gastronomielandschaft passen und sorgte bei den meisten für eine schlagartige Ernüchterung.

Der Conferencier bemühte sich aber hörbar um eine Begründung für die gesalzenen Preise und bat "Miss Russland", die offensichtlich auf dem Weg in den wohlverdienten Feierabend war, um eine kleine Zugabe. Ohne übertriebenen Enthusiasmus zog sie daraufhin nicht nur den Mantel, sondern auf der Bühne auch noch etliche weitere Kleidungsstücke aus.
Währenddessen hatte ein besonders kommunikativer Kollege, den ich aus Diskretionsgründen jetzt nicht benennen möchte, dem Kellner verraten, dass es sich bei unserer bunten Truppe um die Belegschaft der Wuppertaler Rundschau handelte. Presse. Gaanz wichtig. Diese Info blieb nicht ohne Folgen, unsere Tische wurden flächendeckend mit Sektflaschen bestückt, die jeden von uns ein halbes Monatsgehalt gekostet hätten.

Doch dank des dezenten Hinweises auf unsere Herkunft ging alles aufs Haus. Offensichtlich wähnte sich der Betreiber entweder inmitten einer Testreihe über die Wuppertaler Nachtclubszene (die wäre aber nach drei Folgen zu Ende gewesen) — oder er hoffte auf eine wohlwollende Besprechung seines Ladens in einem anderen Zusammenhang.

Gut, die hat er jetzt — leider deutlich zu spät. Denn wie wir alle wissen, hat sich die "Brasilia-Bar" von unserem damaligen Besuch nie wieder richtig erholt und wenige Jahre später die Tore nun wirklich für immer geschlossen.