Aus dem Tagebuch der Redaktion Rot-Blau — ganz hautnah
Wuppertal · Ich versteh' ja nichts von Fußball. Oder jedenfalls nicht viel. Aber ich schau' gerne dabei zu. Was ich jedoch ganz gut hinbekomme, ist zu beurteilen, ob ein Text gut ist. Als ich "Ein Jahr in Rot-Blau.
Erzählungen eines WSV-Fans" von Andreas Winter (Edition Steffan, 165 Seiten, 14,90 Euro) in die Finger bekam, war ich skeptisch. Und wurde rubbeldiekatz eines Besseren belehrt.
Andreas Winter beschreibt in zahlreichen, knackig-kurzen und voll konzentrierten Kapiteln die WSV-Saison 2016/2017 aus der Sicht eines Mannes, den man ohne Umschweife als "echten", bodenständigen Fan des Wuppertaler SV bezeichnen kann.
Da steckt ein Haufen Liebe drin, ein Haufen Begeisterung, auch Enttäuschung und Problembewusstsein — vor allem aber viel positives Nach-Vorn-Blicken. Andreas Winter, der mit Sohnemann, Vater, Bruder und manchmal sogar Ehefrau eigentlich alle Heim- und Auswärtstermine des WSV live begleitet, schreibt über die Spiele und beschreibt sie hautnah, aus dem Bauch, mit viel Herz — und immer wieder, ohne in Sachen Kraftausdrücke und Schimpfwörter irgendein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sehr erfrischend, sehr befreiend!
Man lernt viel über die Tagesorganisation eines Spielbesuches, über die Stadion-Bierchen und Stadion-Bratwürste in NRW und darüber hinaus, übers Vorglühen in der Fan-Kneipe "Calvin 7" in der Elberfelder City, über den Ärger mit der Polizei, über Ultras und ihre Choreographien, über den Frust angesichts von Vereinsspitze-Entscheidungen oder Presseberichten, über die langen Fahrten zu fremden Stadien irgendwo im Niemandsland — und sogar darüber, wie man es hinbekommt, einen Familienurlaub in Tschechien und den Besuch eines WSV-Spieles unter einen Hut zu bekommen.
Nach diesem Buch hat man ganz automatisch eine Nähe zu den Spielern, auch wenn man sie gar nicht kannte, leidet mit, wenn's nicht klappt mit den notwendigen Toren — und freut sich ganz automatisch bei jedem Treffer.
Ich habe das Buch gerne gelesen. Da stecken gut gemachte Fußballreportagen drin — und es hat genau die Prise guten, ehrlichen und weder puffeligen, noch überheblichen Lokalpatriotismus', der mir gefällt. Und Fußball-Leidenschaft. Die macht immer Spaß — und fehlt so oft, wenn angepfiffen wird.
Andreas Winter hat ein Buch abgeliefert, das fesselt, das Spaß macht, bei dem man an vielen Stellen lachen oder schmunzeln kann. Das ist keine große Literatur. Sollte es auch nicht werden. Aber das Ding passt! Zu Wuppertal — und zum Thema.
Vor vielen Jahren habe ich "Der Ball ist rund und Tore lauern überall" von Eduardo Galeano aus Uruguay gelesen. Erschienen im Wuppertaler Peter-Hammer-Verlag. Da geht's vor allem um die großen südamerikanischen Fußballspiele, Fußballvereine, Fußballteams und Fußballhelden — in lauter kurzen, wunderbaren Kapiteln. Literarisch spielen Winter aus Wuppertal und Galeano aus Montevideo in ganz anderen Ligen. Aber echte Fans sind sie beide. Und wenn der gelernte Reiseverkehrskaufmann Andreas Winter (Jahrgang 1968) und der große Schriftsteller und Journalist Eduardo Galeano (1940—2015) einander mal begegnet wären, hätten sie sich bestimmt eine Menge Fußballgeschichten zu erzählen gehabt.