Kommunalwahl OB Mucke: „Man braucht ein dickes Fell“
Wuppertal · 2015 wurde Andreas Mucke für viele überraschend als Nachfolger von Peter Jung (CDU) zum Wuppertaler Oberbürgermeister gewählt. Im September will der SPD-Politiker diesen Sieg wiederholen. Roderich Trapp und Stefan Seitz sprachen mit dem 53-Jährigen über die vergangene und eine mögliche zweite Amtszeit.
Rundschau: Herr Mucke, hatten Sie sich den Job des Oberbürgermeisters eigentlich so vorgestellt?
Mucke: „Ja, hatte ich. Ich war vorher 17 Jahre von 1994 bis 2011 im Stadtrat, da gab es keinen Aha-Effekt, auch nicht beim Thema Arbeitseinsatz. Was ich lernen musste, war die kaum überschaubare Vielzahl der Vorschriften etwa auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene, die Entscheidungen verzögern. Ich bin Pragmatiker, will Dinge möglich machen. Da wünsche ich mir oft, dass es schneller gehen würde.“
Rundschau: Sie hatten angekündigt, ein politischer Oberbürgermeister sein zu wollen. Haben Sie das eingelöst?
Mucke: „Ich finde ja. Zum Beispiel was den Kampf gegen Armut und gegen Rassismus oder meinen Einsatz für Nachhaltigkeit und Klimaschutz angeht. Ich agiere aber nicht parteipolitisch. Im Rat stimme ich so ab, wie es meiner Überzeugung in der Sache entspricht. Ich bin Oberbürgermeister aller Wuppertalerinnen und Wuppertaler und will das Beste für unsere Stadt. Was ich allerdings auch festgestellt habe: Die Wuppertaler wünschen sich wirklich, dass der OB ihre vielen Einladungen annimmt und auf Feste, Veranstaltungen usw. geht. Das wird schon erwartet, gehört zum Amt und das mache ich auch wirklich gerne.“
Rundschau: Was muss ein guter Oberbürgermeister eigentlich mitbringen?
Mucke: „Vor allem ein dickes Fell – aber auch Sensibilität. Man ist Blitzableiter für alles und darf nicht persönlich nehmen, was Leute sagen oder schreiben. Und man muss wissen, dass man außerhalb der eigenen vier Wände keine private Zeit verbringt, wenn man wie ich den Anspruch hat, immer ansprechbar zu sein. Dass es so bürgernah ist, macht das Amt aber auch so spannend. Als Oberbürgermeister muss man wissen, was die Menschen bewegt und wo der Schuh drückt. Das ist meine Auffassung von Bürgernähe. Und natürlich benötigt man Führungserfahrung und genaue Kenntnisse von den Aufgaben und Abläufen einer Stadtverwaltung.“
Rundschau: Das hört sich insgesamt anstrengend an. Wann war Ihnen klar, dass Sie trotzdem noch einmal antreten wollen?
Mucke: „Im Prinzip schon vor zweieinhalb Jahren. Man stößt ja so viel an, was man in einer Amtszeit nicht zu Ende bringen kann. Zum Beispiel haben wir jetzt das Stadtentwicklungskonzept, das nun umgesetzt werden muss. Auf dessen Basis muss jetzt das Stadtmarketingkonzept erstellt werden. Und Armut bekämpft man nicht mit einem Sprint, sondern das ist ein Ultramarathon. In der Stadtteilentwicklung will ich auch die Bezirke auf den Südhöhen und den Nordhöhen unserer Stadt voranbringen. Und den ganzen Tanker Verwaltung kann man auch nicht mal eben so schnell drehen. Dass ich dann von meiner Partei mit 101 von 104 Stimmen als Kandidat bestätigt worden bin, hat mich sehr gerührt und mir gezeigt, dass es richtig ist, nochmal zu kandidieren.“
Rundschau: Viele Menschen halten den Oberbürgermeister ja für allmächtig, was nicht den Tatsachen entspricht. Ist das Amt eigentlich überschätzt?
Mucke (nickt): „Ich glaube, dass unser kommunales System vielen nicht geläufig ist. Der Rat wählt die Führungskräfte im Verwaltungsvorstand ohne meinen Einfluss, es gibt auch besondere Rechte des Stadtkämmerers und ich muss politische Beschlüsse umsetzen, ob sie mir passen oder nicht. Ich habe im Rat nur eine von 67 Stimmen. Da beschließt der Rat Anträge aus seiner Mitte und dann bekomme ich dafür von den Bürgern schon mal Saures ...“
Rundschau: Durchaus Einfluss haben Sie aber als Verwaltungschef. Da scheint es manchmal zu knirschen ...
Mucke: Wir haben bei der Stadtverwaltung ganz viele äußerst engagierte Kolleginnen und Kollegen, die mit Herzblut, sachkompetent und sehr flexibel arbeiten. Das hat man ja gerade jetzt in der Corona-Krise gesehen. Aber manchmal muss ich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon überzeugen, Möglichmacher für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu sein. Wir sind Dienstleister und werden von Steuergeldern finanziert. Deshalb geht es mir darum, Lösungen zu finden und die gegebenen Handlungsspielräume dafür auszuschöpfen. So sehe ich Bürgerservice. Dieses Phänomen gibt es in anderen großen Unternehmen ja auch. Manche Leute sagen dann: ,Da musst du mal draufhauen.’ Aber ich finde es besser, sie davon zu überzeugen mitzuziehen. Es muss doch eigentlich selbstverständlich sein, den Bürgern zu sagen: ,Wir sind für euch da.’ Natürlich nach Recht und Gesetz, aber pragmatisch. Ich sehe es als meine Aufgabe an, das Stück für Stück umzusetzen. Da muss ich mich dann manchmal auch persönlich drum kümmern.
Rundschau: Einige Ihrer Mitbewerber fordern deshalb, den Bereich Personal beim Oberbürgermeister anzusiedeln. Wie sehen Sie das?
Mucke: „Das ergibt einen gewissen Sinn.“
Rundschau: Stichwort Corona: Hat die Pandemie eigentlich Ihre Chancen auf die Wiederwahl verbessert?
Mucke: „Beim Thema Corona geht es mir nun wirklich nicht um meine Wiederwahl, sondern darum, die Menschen zu schützen und Wirtschaft und Stadtleben wieder in Gang zu bringen. Ich mache mir große Sorgen, dass jetzt viele Wuppertaler von Armut und Unternehmen von der Insolvenz bedroht sind, die das bisher nicht waren.“
Rundschau: Fast genauso wie Corona bewegt die Wuppertaler im Moment der angekündigte einjährige Schwebebahn-Ausfall. Wie gehen Sie damit um?
Mucke: „Ich bin 50 Meter von der Schwebebahn entfernt an der Ernststraße groß geworden, deshalb hat mich schon die Sache mit der Stromschiene hart getroffen. Aber da kannte man die Ursache wenigstens. Jetzt bin ich schockiert und ärgere mich wirklich. Ich habe den Stadtwerken gesagt, dass das rückhaltlos geklärt und die Haftung geprüft werden muss. Und dass ich bei der Aufarbeitung vor allem Tempo erwarte. Außerdem wünsche ich mir, dass die Reparatur schneller geht als angekündigt. Ich habe bereits selbst versucht, in Bochum eine beschleunigte Produktion der benötigten neuen Räder zu erwirken. Man hat mir da Unterstützung signalisiert. Und: Es ist ganz wichtig, dass der Schwebebahn-Ersatzverkehr klappt. Hier erwarte ich von den Stadtwerken, dass wir einen funktionierenden Vier-Minuten- Takt bekommen.“
Rundschau: Die Schwebebahn-Pannen gehören ja auch zu den Dingen, für die Sie manche jetzt persönlich verantwortlich machen. Was sagen Sie den Kritikern?
Mucke: „Es ist Aufgabe des Aufsichtsrates der Stadtwerke, deren Vorstand zu überwachen. Ich bin kein Mitglied des Aufsichtsrates. Aber auch der Aufsichtsrat guckt ja nicht in die Werkstätten der Hersteller. Ein Problem ist sicher, dass es nur einen Anbieter für die Konstruktion der Wagen gab. Und als Ingenieur muss ich sagen: Das ist ja keine Raketentechnik. Deshalb ärgere ich mich jetzt schon wieder, wenn ich nur darüber spreche.“
Rundschau: Ärger gab es auch bei einigen Großprojekten, in denen sich die Partner als schwierig erwiesen. Zum Beispiel die Bahn beim Thema Hauptbahnhof und die Firma Clees bei der Bundesbahndirektion. Wie sehen Sie da Ihre Rolle?
Mucke: „Ich finde es wichtig, sich auf die Gesprächspartner einzulassen und sie abzuholen, weil wir als Stadt ja nicht über die Objekte verfügen können. Beim Döppersberg gab es seinerzeit zu Beginn des Projektes keine schriftliche Vereinbarung darüber, was die Bahn in dem historischen Empfangsgebäude baulich zu tun hat. Das war ein Fehler. Ich habe dann an den Bahnvorstand geschrieben und Mitspieler gefunden, die bis jetzt einhalten, was wir mit ihnen besprochen haben. Man hat uns schriftlich versichert, dass nach den Ferien ein Investor für das historische Empfangsgebäude vorgestellt wird. Bei der Bundesbahndirektion hat mich der Ablauf in Sachen Outlet schon geärgert. Mir war relativ schnell klar, dass das nicht kommt. Das Beenden der juristischen Auseinandersetzungen mit Remscheid war dann aber der Türöffner für die neue Lösung. Auch in diesem Fall muss man mit dem Investor reden und ihn zum Teil der Lösung machen, denn es geht nun mal um Privatbesitz. Wenn die Anmietung gelingt und dann dort 600 städtische Kräfte und vielleicht noch 300 andere arbeiten, wäre das ein Highlight. Ich hoffe, dass die Verhandlungen erfolgreich sind und wir vielleicht zum Jahreswechsel einen Durchführungsbeschluss haben.“
Rundschau: Bei anderen Großprojekten hört man mit Blick auf die durch Corona verschärfte Finanzlage zuletzt oft den Einwand: Dafür haben wir jetzt erst recht kein Geld mehr. Wie stehen Sie vor diesem Hintergrund zum Bausch-Zentrum und zur Idee der Bundesgartenschau 2031?
Mucke: „Wenn es danach ginge, müssten wir ja alles stoppen. Dabei haben wir doch gelernt, dass wir nicht gegen die Krise ansparen dürfen. Wir müssen als Stadt Wuppertal selbstbewusst auftreten und den Leuten von auswärts zeigen, dass wir eine toffe Stadt sind. Natürlich stehen im Moment andere Sachen im Vordergrund als die BUGA. Aber die Machbarkeitsstudie hat im Rat viele begeistert. Und in Koblenz hat man mir bestätigt, wie erfolgreich die BUGA da war. Die wollen 2029 sogar noch eine zweite machen. Wuppertal ist die grünste Großstadt in Deutschland, wer soll also eine BUGA machen, wenn nicht wir? Und wenn Sie mich fragen, ob wir uns das Bausch-Zentrum leisten können: Ja! Ich werde oft auf die Angebote für Kultur und Freizeit angesprochen. Kultur ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Faktor in unserer Stadt und muss für alle zugänglich sein. Wir müssen sie noch mehr zu den Leuten hinbringen.“
Rundschau: Letze Frage: Was machen Sie eigentlich, falls sie nicht wiedergewählt werden?
Mucke: „Da denke ich erst drüber nach, wenn es soweit sein sollte. Jetzt bin ich auf das Ziel Wiederwahl fokussiert.“