Zeugenaussage im Scharia-Polizei-Prozess Sven Lau macht „aufgeräumten Eindruck“

Wuppertal · Der Zeuge kam von der Öffentlichkeit abgeschirmt durch den Keller. Sven Lau sagte am Freitag (24. Mai 2019) im Prozess um die sogenannte „Scharia-Polizei“ aus.

Einige der Angeklagten vor Prozessbeginn.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Vor beinahe zwei Jahren saß er noch auf der Anklagebank. Ohne Fusselbart und Häckelkäppi, vor dem Staatsschutzsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts. Dafür mit Tränen in den Augen, als man vor der Urteilsverkündung gespannt auf sein Schlusswort wartete.

Stattdessen hörte man von ihm Klagen wie die, seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft seine Frau und die Kinder nicht mehr umarmt zu haben. Nach der Urteilsverkündung waren noch weitere 22 Monate hinter Gittern hinzugekommen. Erst vor ein paar Tagen war Sven Lau auf Weisung des Oberlandesgerichts vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Zwei Drittel der gegen ihn wegen Unterstützung einer Terrorvereinigung verhängten Strafe sind verbüßt, der Rest ist zur Bewährung ausgesetzt.

Richter Holger Jung.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Von der Szene losgelöst

Als Salafistenprediger soll er Kämpfer für den IS in den Krieg geschickt und selbst in Syrien - umgeben von bärtigen Männern - auf einem Panzer posiert haben. Dass er dazu auch noch als Initiator des Warnwesten-Aufmarsches der „Scharia-Polizei“ in der Wuppertaler Innenstadt galt, geriet inmitten einer solchen Strafakte zur Randnotiz. Sein Prozess war damals abgetrennt worden, noch bevor sich die sieben Mitläufer im Herbst 2016 erstmals vor dem Wuppertaler Landgericht wegen des Verstoßes gegen das Uniformierungsverbot zu verantworten hatten und mit einem Freispruch nach Hause geschickt wurden. Zuvor hatte die Aktion der Sittenwächter einen Skandal ausgelöst, sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich empört in die öffentliche Debatte eingeschaltet.

Mittlerweile soll sich Sven Lau von der Szene losgesagt haben und Mitglied in einem Aussteigerprogramm sein. Mit Kontakt- und Aufenthaltsverboten gibt es für ihn strenge Bewährungsauflagen, dazu steht er weiterhin unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden.

Als freier Mann

Islamist Bernhard Falk, umringt von Journalisten.

Foto: Mikko Schümmelfeder

Zur Zeugenvernehmung in der Neuauflage des Scharia-Polizei-Prozesses kam der ehemalige Lautsprecher der Salafisten-Szene nun also als freier Mann und man durfte gespannt sein auf seine Aussage, von der man nicht wusste, ob er sie überhaupt würde machen wollen. Schließlich soll er es gewesen sein, von dem man vor fünf Jahren in einem in Eigenregie veröffentlichtem YouTube-Video auch Sätze wie diese gehört haben soll: „Lass die Finger vom Glücksspiel, lass die Finger von Drogen, lass die Finger vom falschen Weg.“ Den Aufmarsch der selbsternannten Ordnungskräfte kommentierte er damals so: „Wenn jemand mit einem Knöllchen kommt, weil man nicht angeschnallt war, sagt man auch nicht: Warum habt ihr uns kontrolliert. Man akzeptiert das einfach.“

Unter der Haft gelitten

Am 3. September 2014 zogen Männer mit diesen Westen durch Elberfeld. Vor Gericht sagte Lau, er habe die Idee zu der Aktion dazu gehabt.

Foto: Screenshot YouTube

Bevor der Zeuge abgeschirmt von der Öffentlichkeit den Saal betrat, sprach vor der Gerichtstüre dessen „Bruder“ Bernhard Falk über seinen Freund Sven Lau. Ehemals linksextremistischer Terrorist und wegen vierfachen Mordversuchs und Sprengstoffanschlägen zu 13 Jahren Haft verurteilt, plauderte Falk munter über all das, was dem ehemaligen Salafistenprediger in den letzten Jahren zugesetzt haben soll.

Unter der Haft soll Lau extrem gelitten haben - und dennoch ziehe er es keinesfalls in Zweifel, dass der weiter dem Islam zugewandt bleiben würde. Allerdings sehe er Lau nicht als Fanatiker, sondern eher als sehr emotional. Ob er ihm mit seinem öffentlichen Schulterschluss einen Gefallen getan hat, bleibt fraglich.

„Und dann sind wir rausgegangen.“

Zu spüren war von der vermeintlichen Emotionalität des einstigen Salafistenpredigers im Gerichtssaal jedenfalls nichts - als Zeuge machte Sven Lau einen „aufgeräumten“ Eindruck. An den 3. September 2014 erinnere er sich noch gut, damals habe vor der Aktion noch Arabisch-Unterricht stattgefunden. Die Wuppertaler Moschee habe er regelmäßig besucht und dort die „Freitagsrede“ übernommen. Darauf angesprochen, ob er sich nicht noch anderweitig einbringen könne, habe er die nächtlichen Umläufe vorgeschlagen. In seiner Heimatstadt Mönchengladbach habe es sowas zuvor schon gegeben - vor Bars und ziemlich unspektakulär. Er selbst sei es gewesen, der den Aufdruck „Shariah Police“ auf den Warnwesten in Auftrag gegeben habe. „Und dann sind wir rausgegangen“, sagt Lau über die spontane Aktion am Mittwochabend in der Elberfelder City. Vor einem Spielcasinos habe er eine kurze Rede gehalten, nach etwa zehn Minuten sei die Polizei gekommen. Die Westen habe man sofort ausgezogen - er selbst habe sie eher mit Karnevalsbekleidung verglichen, dort stehe auch oft „Polizei“ drauf. Allerdings sei es schon so gewesen, dass man die Wirkung in der Öffentlichkeit habe testen wollen und dazu wollte man noch schauen, ob es eine Auseinandersetzung geben würde. Visitenkarten und Flyer habe man bei dieser Aktion nicht verteilt und auch Verhaltensregeln habe man nicht öffentlich, sondern nur für das YouTube-Video propagiert.

Nach seiner Zeugenaussage verließ Sven Lau den Saal so, wie er in betreten hatte: Durch die Treppe ins Untergeschoss, über die sonst Untersuchungshäftlinge vorgeführt werden. Die sieben Angeklagten hatten zuvor zu den Tatvorwürfen geschwiegen, der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.