Kitas & Co.: Interview zum Arbeitskampf im Erziehungs- und Sozialbereich "Was ist Arbeit wert?"
Drei Warnstreiks bei den städtischen Kitas und in der Sozialverwaltung gab es schon. Es geht um zehn Prozent mehr Geld. Die Arbeitgeber bleiben bisher hart. Rundschau-Redakteur Stefan Seitz sprach mit Daniel Kolle, dem Wuppertaler Chef der Gewerkschaft ver.di.
Drei Warnstreiks und noch keine Annäherung. Das klingt nach Positionen, die weit auseinander liegen.
Ja, es ist eine harte Auseinandersetzung. Bisher sind wir definitiv noch nicht zusammengekommen. Und wenn das so bleibt, ist mit weitergehenden, also unbefristeten Streiks zu rechnen. Hinter all dem stehen in Wuppertal 1.100 Mitarbeiter, die ein hohes Anliegen haben, und das auch deutlich machen.
Die Kitas stehen in der öffentlichen Wahrnehmung im Vordergrund. Um sie geht es aber nicht allein?
Wir reden über den gesamten Erziehungs- und Sozialdienst. In diesem Bereich sind die psychischen Anforderungen und die Bedeutung rechtlicher Haftungsfragen in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Die gesamte Arbeitswirklichkeit hat mit den noch immer existenten Bildern der Vergangenheit überhaupt nichts mehr zu tun.
Konkret bedeutet das was?
Beispiel Kitas: Eine Kindertagesstätte ist längst kein reiner Betreuungsplatz mehr, sondern die erste Bildungseinrichtung im Leben. Es geht um viele Aspekte von Pädagogik, Logopädie und Motopädie. Außerdem müssen aufwändige Sprachstandserhebungen und detaillierte Dokumentationen gemacht werden. Und unter dem Motto Inklusion steht das riesige Thema der gemeinsamen Arbeit mit nichtbehinderten und behinderten Kindern ins Haus. Von den Belastungen durch Lärm und viele andere Herausforderungen mehr in einer Kita mit Hunderten von Kindern gar nicht zu reden.
Wie kann man den Job in einer Kita in Vergleich zu anderen Berufen setzen?
Erstens geht es zu 60 Prozent um Teilzeitkräfte, die fast ausschließlich Frauen sind. Zweitens: Wer hier arbeitet, hat eine unbezahlte Ausbildung von fünf langen Jahren hinter sich. Für das, was man danach verdient, würde sich bei VW niemand ans Fließband stellen. Und in einer Stahlhütte, wo der Metaller-Tarifvertrag gilt, bekommt jemand, der nur den Hof fegt, gerade mal 100 Euro weniger als eine Kindererzieherin. Da stellt sich eine zentrale Frage: Was ist uns in Deutschland soziale Arbeit wert? Die kommunalen Arbeitgeber können sich hier nicht dauerhaft hartleibig zeigen und das aussitzen.
Wie reagieren die Eltern auf die Streiks?
Es ist natürlich schwer, wenn alle städtischen Kitas zu bleiben. Vor allem für Alleinerziehende. Aber auch der NRW-Landeselternrat unterstützt die Gewerkschaftsforderungen. Die Eltern wissen, was Erzieherinnen leisten und sie gehen unseren Weg mit. Wir erleben eine große Welle der Sympathie. Ohne die wären Streiks in solch einem sensiblen Bereich auch gar nicht zu machen. Falls wir tatsächlich in einen unbefristeten Arbeitskampf gehen müssen, reagieren wir strategisch. Wir lassen die Eltern nicht im Regen stehen.