Interview mit Michael Neumann Kita-Situation in Wuppertal: „Es könnte besser sein“
Wuppertal · Offene Briefe, Elterninitiativen und Leserbriefe. Der Personalmangel in städtischen Kindertageseinrichtungen lässt Wuppertaler Eltern Sturm laufen. Rundschau-Redakteurin Nina Bossy sprach mit Stadtbetriebsleiter über die Not der Eltern, der Mitarbeiterschaft – und warum es leider keine einfache und schnelle Lösung gibt.
Rundschau: Herr Neumann, in manchen Kitas gibt es so wenige Erzieherinnen und Erzieher, dass Sie den Eltern nicht mehr die Betreuung für die angemeldete Stundenanzahl garantieren können. Warum?
Neumann: „Das Problem beginnt bereits 2013, mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Die Stadt hat daraufhin eine Arbeitsgruppe gegründet, weil etwa 1.000 Betreuungsplätze fehlten, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. Mehr als 3.000 neue Betreuungsplätze wurden seitdem durch neue Gruppen und neue Einrichtungen geschaffen. Dennoch gibt es weiterhin ein Defizit von 1.000 Plätzen. Und dann kam die Pandemie, die die Situation noch zusätzlich verschärft hat. Generell ist unser größtes Problem fehlendes Personal. Und wir tun alles in unser Macht Stehende, um neue Fachkräfte zu gewinnen.“
Rundschau: Zum Beispiel?
Neumann: „Wir werben für den Erziehungsberuf in Zeitungen und Magazinen, wir gehen auf Ausbildungs- und Jobbörsen, schreiben auch während des Kindergartenjahres aus. In den vergangenen beiden Jahren hatten wir jeweils 65 Auszubildende. Das war das Maximum, was wir an den Berufsschulen untergebracht bekommen haben. Denn auch dort gibt es Kapazitätsgrenzen. In diesem Jahr hätten wir noch mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gehabt, aber es gab nicht genug Bewerberinnen und Bewerber. Das Berufsbild hat vermutlich durch die Belastungen während der Pandemie gelitten. Zur Entlastung der pädagogischen Fachkräfte sind wir gerade dabei, die sogenannten Alltagshelfer, die wir während der Pandemie bis zum 31. Juli im Rahmen von Zeitarbeit einsetzen konnten, zu übernehmen.“
Rundschau: Es gibt den Vorwurf, bei der Stadt lägen Bewerbungsunterlagen, die nicht beantwortet würden.
Neumann: „Ich wünschte, sie lägen hier tatsächlich. Wir beantworten jede Bewerbung, stellen aber natürlich nicht jeden Bewerber ein, denn wir achten natürlich auch auf die Qualität des Personals. Aber eine Antwort bekommt jeder und jede. Im Übrigen auch jeder aus der Elternschaft, der sich mit einem Problem an uns wendet.“
Rundschau: In wie vielen Kindertageseinrichtungen sind derzeit Gruppen geschlossen bzw. kann die Betreuung nicht im vollen Umfang garantiert werden?
Neumann: „Es ist schwierig, hier eine tagesaktuelle Zahl zu nennen. Die Betreuungseinschränkungen kommen immer wieder mal vor. Manchmal für einen oder mehrere Tage, in ganz wenigen Fällen auch längerfristig. Meist handelt es sich um eine Reduzierung der Betreuungsstunden. Dass ganze Gruppen geschlossen werden müssen, stellt eher eine Ausnahme dar.“
Rundschau: Betroffene Eltern schildern, dass sie ihre Berufstätigkeit nicht mehr ausüben können oder Gefahr laufen, ihren Job zu verlieren. Was können Sie diesen Eltern sagen?
Neumann: „Wir bemühen uns in den betroffenen Einrichtungen sehr, besonders die berufstätigen Eltern zu unterstützen. Wir bitten zunächst solche Eltern, ihr Kind zu Hause zu betreuen, bei denen nicht beide aus dem Haus müssen und arbeiten teilweise mit Rotationssystemen. Wenn die Betreuung der Kinder aus Sicht der Eltern unumgänglich ist, sollten diese mit der zuständigen Leitung nach vertretbaren Lösungen suchen.“
Rundschau: Ihren Beitrag zahlen die Eltern trotz der Ausfälle aber weiter.
Neumann: „Erst einmal sind in den städtischen Tageseinrichtungen zwei Drittel der Eltern ohnehin beitragsbefreit. Aber ja, die anderen, so ist es vertraglich festgehalten, zahlen weiter, weil auch die laufenden Kosten weitergezahlt werden müssen.“
Rundschau: Und die Essensbeiträge?
Neumann: „Essen, das nicht ausgegeben wurde, muss nicht bezahlt werden. Die Beträge bekommen die Eltern zurückerstattet.“
Rundschau: Zu großem Ärger führt auch, dass die Betreuung für die angemeldeten Kinder nicht gewährleistet werden kann, aber die Kitas unbeirrt weiter neue Kinder aufnehmen. Warum?
Neumann: „Das liegt an dem Planungsprozess, der ja Monate vorher losgeht. Und häufig fällt durch Krankheit oder Schwangerschaft Personal während des Kita-Jahres ganz ungeplant aus. Das kann ich in der Planung für die neuen Kinder nicht berücksichtigen. Im Übrigen würden sonst weniger Betreuungsplätze zur Verfügung stehen, ein Problem für alle Eltern und Kinder die noch auf einen Betreuungsplatz warten.“
Rundschau: Die Stadt und die freien Träger fungieren als Arbeitgeber. Kitapolitik ist Landespolitik. Was könnte in Düsseldorf gegen das Betreuungsproblem getan werden?
Neumann: Das fängt beim nicht auskömmlichen Finanzierungssystem der Kitas an, geht über die unzureichende Förderung der Ausbildung von päd. Fachkräften, der Bereitstellung ausreichender Ausbildungskapazitäten an den Berufskollegs und Fachschulen, der verstärkten Ausbildung von Lehrkräften für die Berufskollegs. Das Berufsbild der Erzieherin bzw. des Erziehers verdient deutlich mehr Anerkennung und Wertschätzung, schließlich ist die Kita die erste institutionelle Bildungseinrichtung im Deutschen Bildungssystem.“
Rundschau: Sie sprechen mit vielen Eltern. Was sagen Sie zu deren Unmut? Wird sich die Situation im kommenden Kita-Jahr bessern?
Neumann: „Der Herbst und die weiteren Entwicklungen der Pandemie sind unvorhersehbar, aber ich habe wirklich Hoffnung, dass es besser wird. Denn unsere Bemühungen, Personal zu gewinnen, haben sich gelohnt. Zum 1. August beginnen 53 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir haben 29 neue Kolleginnen, die eine praxisintegrierte Ausbildung beginnen, 19 Berufspraktikanten und acht Studierende, die sich auf die städtischen Einrichtungen verteilen werden.“
Rundschau: Was sagen Sie zu den Bewerberinnen und Bewerbern? Warum ist der Job in einem städtischen Kindergarten trotz aller Widrigkeiten ein guter?
Neumann: „Die Stadt als Arbeitgeber bietet für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kitas eine vielfältige und verantwortungsvolle Tätigkeit. Wir haben 70 Einrichtungen, mit unterschiedlichen pädagogischen Konzepten und Altersstrukturen. Und es gibt super Aufstiegschancen, viele Leitungspositionen werden in den nächsten Jahren zu besetzen sein. Wir zahlen nach Tarif, haben eine zusätzliche Altersvorsorge und bieten unterschiedliche Teilzeitmodelle an, um für unsere Mitarbeiterschaft Familie und Beruf vereinbar zu machen. Ein umfangreiches Fortbildungsprogramm rundet das Angebot ab. Auszubildende werden nach erfolgreichem Abschluss in der Regel unbefristet übernommen. Und die Arbeit in einer Kindertagesstätte ist eine wertvolle und sinnstiftende Tätigkeit. Der Kindergarten prägt fürs Leben. Er ist das Eintrittstor in unser Bildungssystem.“
Rundschau: Wird die Stadt diesem Bildungsauftrag denn gerade gerecht?
Neumann: „Es könnte besser sein. Und ich hoffe, dass es das auch wirklich sein wird.“