SPD Parteitag "Verkrampft, verquast, verdruckst"

Wuppertal · Heiner Fragemann und Stefan Kühn sind die alte und neue Führungsspitze der Wuppertaler SPD. Beim Parteitag am Samstag erhielt Fragemann magere 94 Ja-Stimmen bei 13 Nein und 7 Enthaltungen. Sein Stellvertreter, Wuppertals Sozialdezernent Stefan Kühn, wurde mit 115-mal Ja bei zweimal Nein und 2 Enthaltungen überzeugend im Amt bestätigt.

Der SPD-Parteitag in der Mensa der Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule wählte Heiner Fragemann (links) und seinen Stellvertreter Stefan Kühn zur alten und neuen Wuppertaler Parteispitze.

Foto: Max Höllwarth

Höhepunkt des Tages war aber eine aufrüttelnde Rede von Helge Lindh.



Heiner Fragemann "übertraf" diesmal sein 80-Prozent-Ergebnis von vor zwei Jahren immerhin um 2 Prozent. Schon seinerzeit hatte Stellvertreter Stefan Kühn deutlich mehr Zustimmung für sich verbuchen können — beim 2016er Parteitag waren es 117 mal "Ja" gewesen.


Fragemann, der in Vohwinkel Bezirksbürgermeister ist, räumte ein, möglicherweise seine Haltung zur Großen Koalition mit CDU/CSU auf Bundesebene nicht optimal kommuniziert zu haben. In Wuppertal hatte im Januar bei einer SPD-Mitgliedervollversammlung eine 60:40-Mehrheit gegen die Aufnahme von Gro-Ko-Gesprächen in Berlin gestimmt: Fragemann, der nicht an dieses Votum gebunden war, hatte beim darauf folgenden Bundesparteitag für die Große Koalition mit der Union gestimmt.


Am Samstag bescheinigte er in einer recht leidenschaftslosen Rede der Wuppertaler SPD, den Erneuerungsprozess, den die Landes- und die Bundespartei gerade durchmachen, schon seit zwei Jahren zu realisieren. Von Offenheit, Diskussionsfreudigkeit und Transparenz sei die lokale Parteiwirklichkeit geprägt — und mit der Wiederwahl aller drei Landtagsabgeordneten sowie der Wahl von Helge Lindh als neuem Bundestagsabgeordneten habe die örtliche SPD sich deutlich gegen den allgemeinen Abwärtstrend der Sozialdemokratie stellen können.

Apropos Leidenschaft: Die vermittelte allein Helge Lindh. Am Rednerpult schrieb er seiner Partei ins Stammbuch, "verkrampft, verquast, verdruckst" gewesen zu sein. Lindh zitierte Luther: "Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz!" Lindh forderte, die SPD müsse wieder offen, fröhlich und stolz sein — und genauso auftreten. Der 42-jährige Bundestagsabgeordnete Helge Lindh wörtlich: "Überall höre ich von den Menschen 'sprecht mit mir', aber wir sprechen nur mit uns. Die Menschen sagen 'bitte gebt uns Antworten', aber wir geben ihnen Positionspapiere und Leitbildprozesse." Lindh schilderte den Besuch bei einem von zahlreichen Arbeits- und Sozialschwierigkeiten geplagten Heckinghauser Ehepaar — und kritisierte den verquasten Begriff von der Suche nach den verlorenen sozialdemokratischen Narrativen: "Da in Heckinghausen und Oberbarmen liegen die Geschichten auf der Straße, derer müssen wir uns verdammt nochmal annehmen! Wir als SPD müssen jetzt machen, müssen lebendig sein, nicht nur halbherzig zuhören, sondern richtig reden, unsere Fehler in Sachen Hartz IV und Integration auch zugeben."
Der mit Lindhs Rede in Zusammenhang stehende Leitantrag "Die SPD in Wuppertal: Anpacken und gestalten" erhielt viel Applaus — und grünes Licht.


Das gab auch für den großen Gleichstellungsplan der Wuppertaler SPD, an dem seit etwa einem Jahr gearbeitet wird. Trotz erheblicher Widerstände beispielsweise aus dem Ortsverein Katernberg ("Quotierte Redelisten sind der Tod einer lebendigen politischen Debatte") wird es in Zukunft "quotierte", also nach Frauen und Männern abwechselnde Redelisten geben, es wird über die Möglichkeit von männlich-weiblich quotierten Doppelspitzen bei Führungsämtern diskutiert — und es werden Gleichstellungsbeauftragte sowohl auf Stadt- als auch auf Stadtbezirksebene eingesetzt.
Außerdem gibt's alle SPD-Texte in Zukunft nur noch "gendersensibel" — sprich mit männlicher und weiblicher Form.

Die beiden letzten erfolgreichen Wahlkämpfe haben die Wuppertaler SPD 70.000 Euro (Landtag) und 83.000 Euro (Bundestag) gekostet.
Nächste Termine sind die Europawahl 2019 sowie die kombinierte Kommunal- und Oberbürgermeisterwahl 2020.