Unterhalt und Integration: Kritik am Bund Slawig: Gute Idee, schlechte Umsetzung
Wuppertal · Die Pläne von Bund und Land zum neuen Unterhaltsvorschussgesetz sowie zur Integrationspauschale sorgen in der Wuppertaler Verwaltung für Unmut. Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig befürchtet schwere finanzielle Konsequenzen für den städtischen Haushalt.
Ab dem 1. Januar 2017 sollen alle minderjährigen Kinder einen Anspruch auf einen staatlichen Unterhaltsvorschuss haben, wenn der familienferne Elternteil nicht zahlt — so sieht es ein Gesetzentwurf vor, über den der Bundesrat noch in diesem Jahr entscheiden soll. Bisher wurde der staatliche Zuschuss nur für Kinder bis zwölf Jahre gewährt, außerdem für maximal für sechs Jahre.
"Die Idee dahinter ist gut — aber die Finanzierung, wie sie derzeit geplant ist, funktioniert so nicht", erklärt der Kämmerer. Denn vorgesehen ist, dass auch weiterhin die Kommunen die finanzielle Hauptlast für den Vorschuss des Unterhalts tragen. Gegenwärtig gibt die Stadt dafür im Jahr rund drei Millionen Euro aus. Wird das Gesetz tatsächlich durchgewinkt, würden die Kosten auf acht bis neun Millionen Euro steigen, so Slawig. Außerdem müssten mindestens zehn neue Stellen im Rathaus geschaffen werden, um den bürokratischen Aufwand bewältigen zu können — was jährlich mit weiteren 500.000 Euro zu Buche schlagen würde.
"In vielen Kommunen würde durch das neue Gesetz der Haushaltssanierungsplan ins Wanken geraten", fürchtet Slawig. Auch in Wuppertal könnte dies der Fall sein. Slawig wird die Mehrkosten — wie viele andere Kämmerer in NRW — vorerst nicht im Nachtragshaushalt veranschlagen. "Das Ziel des Städtetags ist es, das Gesetz in dieser Form zu verhindern — die Kosten dürfen nicht an der Kommune hängen bleiben."
Zudem sei auch das Gesetz auch inhaltlich nicht in allen Punkten zielführend, erläutert Sozialdezernent Dr. Stefan Kühn. So gingen derzeit zwei Drittel der Unterhaltsvorschusszahlungen an allein erziehende Mütter, die Leistungen aus dem StGB II — also Hartz IV — beziehen. Da werde der womöglich neu hinzukommende Unterhalt sowieso als Einnahme vom Regelsatz für die Familie abgezogen. "Für viele Familien bedeutet die Gesetzesänderung also überhaupt keine finanzielle Entlastung, sondern allenfalls mehr bürokratischen Aufwand", glaubt Kühn.
"Gut gedacht ist eben nicht immer gut gemacht", fasste Oberbürgermeister Andreas Mucke das Problem bei einer offiziellen Pressekonferenz im Rathaus zusammen. Er kritisierte bei dieser Gelegenheit auch die derzeitige Handhabung der Integrationspauschale.
Zum Hintergrund: Kürzlich hatte sich das Bundeskabinett auf den Entwurf eines Gesetzes zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration und zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen geeinigt. Darin ist unter anderem die Rede von "einer vollständigen Entlastung der Kommunen von den Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für anerkannte Asyl- und Schutzberechtigte für die Jahre 2016 bis 2018". Mittlerweile hat der Bund das Geld als sogenannte Integrationspauschale an die Länder überwiesen, Nordrhein-Westfalen erhielt 434 Millionen Euro. Diese möchte das Land aber nun nicht an die Kommunen weiterleiten — mit der Begründung, man sei den Städten in NRW in vergangener Zeit ja schon entgegengekommen.
Auch für Stadtdirektor Slawig eine nicht nachvollziehbare Entscheidung: "Zusammen mit dem NRW-Städtetag setzen wir uns dafür ein, dass nun doch wenigstens die Hälfte der 434 Millionen Euro an die Kommunen fließt." Schließlich hätten die Städte trotz bereits bestehender Förderung deutliche Mehrkosten für die Integration der Geflüchteten — und das auch noch über die kommenden Jahre hinweg.