Nachkriegstrümmer, Chaos und neue Ordnung
Wuppertal · 71 Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vergangen. Da die Augenzeugen immer weniger werden, ist es wichtig, persönliche Erlebnisse durch Erzählen und Aufzeichnen für die Nachwelt zu bewahren.
Darum geht es im in der Edition Köndgen verlegten Buch "Fingerhüte aus Trümmern" mit Erinnerungen an das Kriegsende 1945 in Wuppertal. "Oral History" nennt man heute die mündliche Überlieferung von Erlebnissen, Eindrücken und Erinnerungen, die seit 2007 in der Geschichtswerkstatt "Wuppertaler Gedächtnis" der Volkshochschule aufgezeichnet wurden.
Die Kursleitung übernahm die Sozialwissenschaftlerin Edith Geuter. Weitere Interviewer waren Brigitte Ascheuer (†), Gisela Bücher und Johannes Beumann, der sich auch um die Fotos kümmerte.
Die 14 Interviewtexte stammen von acht Frauen und sechs Männern, die bei Kriegsende zwischen acht und 16 Jahren oder zwischen 19 und 26 Jahren waren. Hans-Joachim Thias (†) aus der Elberfelder Südstadt beispielsweise erzählte von schrecklichen Kriegserlebnissen, als Phosphorbomben flüssigen Asphalt hinterließen, in dem Menschen durch die Hitze regelrecht schrumpften.
Nach Kriegsende war die Versorgung mit Lebensmitteln prekär, brauchte man Lebensmittelmarken und Bezugsscheine. Eva Brabender-Hofmann dazu: "Die tägliche Ration waren ein bis zwei Scheiben Brot. 'Quäkerspeisung' war willkommen. Im Winter 1946/47 hing Eis an den Wänden. Wir haben Trümmersteine geklopft."
Für Gisela Bücher, heute 92 Jahre alt, war die "Stunde Null" ihre schlimmste Zeit: "Fast alle Männer waren im Krieg umgekommen. Wir empfanden uns als verlorene Generation, kannten nur die nationalsozialistische Ausdrucksweise und mussten die deutsche Sprache neu lernen."
Und der Buchtitel? Interviewpartnerin Gertrud Jeske sagt: "Da kamen die Fingerhüte aus den Trümmern heraus, was man heute ja Unkraut nennt. Und es ist ganz egal, den Krieg haste überstanden. Und jetzt siehst du schon die Blumen in der Natur, das war bei mir so ein Gefühl, ein gutes Gefühl!"