Engelsjahr 2020 „Engels ist unterbelichtet“
Wuppertal · 2020 feiert Wuppertal den 200. Geburtstag von Friedrich Engels. Soviel steht fest. Aber wie feiert Wuppertal diesen Geburtstag? Bei einem bestens besuchten Auftaktabend fiel im Historischen Zentrum jetzt der sozusagen offizielle Startschuss für die Programmfindungsphase.
Seitenblicke (und Seitenhiebe) gab's dabei immer wieder Richtung Trier, wo gerade die 200-Jahr-Feier für den Engels-Freund Karl Marx läuft.
"Denkanstöße statt Denkmalpflege" — so formuliert beispielsweise Engels-Jahr-Kurator Rainer Lucas einen Slogan, der die Richtung zeigt. Er und sein Kollege Hans-Dieter Westhoff kümmern sich darum, dass das Label "Engels 2020" mit Inhalten und Aktionen gefüllt wird. Ein entsprechender Verein wird gegründet, ein Büro im Elberfelder Rathaus wird bezogen — und über www.Engels2020.de sollen Werbung, Information und Kommunikation laufen.
Klassische Vorträge wird es natürlich geben — aber deutlich mehr als das: Filme, Musik, Theater-Aktionen, Kongresse und, und, und sind denkbar. Rainer Lucas: "Engels und die Industrialisierung, die seinerzeit in Europa keinen Stein auf dem anderen ließ, das ist ein spannendes und heiß diskutiertes Feld. Aber Engels war auch Wein, Weib und Gesang nicht abgeneigt." Deswegen soll das Wuppertaler Engels-Jahr "durchaus auch eine lockere Veranstaltung" werden. Das Schlagwort vom "ganzjährigen Langen Tisch" steht im Raum. Die Devise lautet "Engels unterwegs" — schon allein, weil es keinen zentralen Veranstaltungsort geben kann. Das Engels-Haus wird nämlich (wenn alles klappt) erst zum tatsächlichen Geburtstagsdatum am 28. November fertig renoviert sein. Wenn auch der gläserne Verbindungsbau zwischen Engels-Haus und Historischem Zentrum steht. Falls er denn dann steht...
Wichtig für das gesamte Geburtstagsjahr: Engels, von dem viele Wuppertaler "keine Ahnung haben" (O-Ton Kurator Westhoff) müsse wieder "eingebürgert werden". Und Rainer Lucas setzte noch einen drauf: "Engels ist unterbelichtet in Wuppertal. Zwei Denkmäler, eine Allee und eine Straße — das reicht nicht." Apropos "reicht nicht": Geld muss her — und zwar viel. Vom Land, vom Bund, von Stiftungen, von Unternehmen. Oberbürgermeister Mucke und das Kuratoren-Team werden jetzt auf Finanzierungstour gehen. Der beim Auftakt endlos zitierte Vergleich mit Trier legt die Latte hoch: Dort stehen rund fünf Millionen Euro zur Verfügung. Davon ist Wuppertal (noch) Lichtjahre entfernt...
Überhaupt Trier: "Das Wuppertaler Engels-Jahr wird sich deutlich unterscheiden vom wohlgeordneten Trier mit viel Geld und garantierten Touristenströmen", so Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Institutes. Schneidewind setzt auf den "Wuppertaler Esprit". Und weiter: "Das wird bei uns halt anders, vielleicht auch nicht so wohl organisiert..." Der bekennende Wuppertal-Fan: "Der Erfolg unseres Geburtstagsjahres misst sich nicht an Besucherzahlen oder Steigerungen der Einzelhandelseinnahmen, sondern daran, ob die Stadtmenschen ihren Engels sehen und/oder anders sehen."
Kurator Hans-Dieter Westhoff formuliert sowohl veranstaltungsatmosphärisch als auch wissenschaftlich: "Engels in Wuppertal ist eine ganz andere Party als Marx in Trier. Friedrich Engels hat schon als junger Mann die sozialen Spannungen und sich ankündigenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in der europäischen Industrialisierungshochburg Wuppertal hautnah mitbekommen. All das gab es in Trier nicht."
Und jetzt? Ein Kommunikationskonzept muss her. Eines nach innen — und eines nach draußen, um Gäste nach Wuppertal zu locken. Gäste, die übrigens unbedingt länger als einen Tag vor Ort verbringen sollen. Wie sieht's aus mit diesem Konzept? Kurator Lucas: "Da sind wir im Moment noch nicht. Es ist aber dringend." Genau wie das Thema Geld: "Das alles muss dieses Jahr über die Bühne gehen. Wir werden versuchen, diese Lücken zu schließen."